Da kommt mir die Galle hoch!

11.10.2019

Interview mit Professor Dr. Grünberger, Abteilungsvorstand der Chirurgischen Abteilung des Kaiser-Franz-Josef Spitals, SMZ-Süd in Wien

Die Redensarten „Da kommt mir die Galle hoch!“ oder auch „Gift und Galle spucken“ kennen Sie sicherlich. Diese Bildsprache kommt nicht von ungefähr. Denn es kann in der Tat passieren, dass die gelb-grünliche Gallenflüssigkeit nicht von der Leber über den Zwölffingerdarm ausgeschieden wird, sondern über die Speiseröhre tatsächlich in den Mund gelangt. Zugrunde liegt dann aber eine Erkrankung und nicht eine Missstimmung oder Stress, wie fälschlicherweise oft vermutet wird.

So kann ein Gallenstein oder eine Gallenblasenentzündung die Ursache sein. Weitere Symptome für Gallenprobleme sind oftmals dunkelbrauner Urin oder eine Gelbfärbung der Augen und Haut. Das Tückische bei Gallensteinen ist, dass der Betroffene diese oftmals über einen langen Zeitraum nicht bemerkt. Meistens werden sie zufällig bei einer Routineuntersuchung per Ultraschall entdeckt. Und solange die Steine keine Beschwerden verursachen, besteht auch nicht die zwingende Notwendigkeit, diese operativ zu entfernen. Wenn sie sich aber bemerkbar machen, dann tut es weh. Krampfartige Schmerzen können auftreten.

Anzeichen für die Erkrankung der Gallenblase

In erster Linie machen sich krampfartige Oberbauchschmerzen bemerkbar. Der Schmerz kann hierbei auch in den Rücken oder in die rechte Schulter ausstrahlen. Auch Blähungen, ein unangenehmes VöllegefühlErbrechen oder Übelkeit können Begleiterscheinungen sein. Die Beschwerden entstehen dadurch, dass die Gallenblase sich zusammenzieht, um den Gallensaft in den Darm zu pressen, hier aber dann Gallensteine den Ausgang blockieren.

Wie entsteht ein Gallenstein?

Das eng verzahnte Zusammenspiel von Leber, Bauchspeicheldrüse und Gallenwege mit Gallenblase bildet eine Einheit, was Verdauungsprozesse betrifft. Zugeführte Giftstoffe und Abfallprodukte des Stoffwechsels werden durch Leber und Galle gefiltert, wobei die Galle zusätzlich wertvolle Stoffe für die nötige Fettverdauung abgibt und die Leber auch ein essentieller Speicher für Fette, Vitamine und Zucker ist und wichtige Eiweiße für den Zellaufbau produziert.

Für eine gesunde Fettverdauung wird in der Leber Gallensaft produziert. Jeden Tag wird ca. ein halber Liter Gallensaft in der Leber gebildet und in der Gallenblase zwischengespeichert. Dieser fließt im Normalfall über die Gallengänge in den Dünndarm, um diesen beim Verdauungsprozess zu unterstützen. Der Saft, der aus Wasser und nicht wasserlöslichen Stoffen besteht, wird dann in der Gallenblase gespeichert, wenn gerade „nichts zu tun ist“, also wenn gerade keine Verdauungsaktivität stattfindet. Gallensteine können dann entstehen, wenn diese Flüssigkeit verklumpt. Die aus vielen Kristallen geformten entstandenen Steine bestehen zu einem hohen Anteil aus Cholesterin und können mehrere Zentimeter groß werden.

Leiden immer mehr Menschen an Gallenwegserkrankungen oder Gallensteinen?

Grünberger

Primarius Professor Dr. med. Thomas Grünberger, Abteilungsvorstand der Chirurgischen Abteilung des Kaiser-Franz-Josef Spitals, SMZ-Süd, in Wien, behandelt neben Patienten mit Lebertumoren, Lebermetastasen, Bauchspeicheldrüsentumoren und Pankreaskarzinomen auch Patienten mit Gallensteinen, Gallenblasenkarzinomen und Gallengangskarzinomen.

Die Redaktion des Leading Medicine Guide sprach mit ihm über die Problematik rund um die Gallenblase und fragte sich, warum augenscheinlich mehr Menschen an Problemen mit der Gallenblase leiden als früher. „Neben seltenen erblichen Erkrankungen ist die Gallenblasenentzündung (Cholezystolithiasis) eine klassische Wohlstandserkrankung, die durch Übergewicht und fettreiches Essen provoziert wird“, äußert Prof. Dr. Grünberger. Das Risiko, Gallensteine zu entwickeln, nimmt daher nicht von ungefähr ab dem 40. Lebensjahr zu. Frauen sind dabei übrigens mehr betroffen als Männer, was unter anderem auch dem weiblichen Hormon Östrogen geschuldet ist, durch das mehr Cholesterin abgesondert wird, was wiederum die Bildung von Gallensteinen nährt.

Ernährungstipps für eine gesunde Galle

Versuchen Sie auf fettreiche Lebensmittel wie Fleisch, Wurst, Käse und Sahne zu verzichten. Auch blähende Nahrungsmittel wie Kohlsorten und Hülsenfrüchte sollten nur in Maßen gegessen werden. Scharfe Gewürze, Schokolade und schwefelhaltige Konservierungsstoffe (mit denen z.B. Erdnüsse und Mandeln haltbar gemacht werden) sollten ebenfalls nur in kleinen Mengen gegessen werden. Eine ausgewogene ballaststoffreiche Kost mit Blick auf das Cholesterin und die Vermeidung tierischer Fette macht in jedem Fall Sinn!

Wenn die Gallenblase raus muss …

Sehr oft ist eine Erkrankung der Galle zunächst auch mit schmerzlindernden und krampflösenden Medikamenten zu behandeln. Eine langfristige Schmerzfreiheit wird schließlich nur durch die Entfernung der Gallenblase erlangt. Dieser Eingriff ist mit wenig Aufwand verbunden. „Durch drei bis vier kleine Einschnitte in der Bauchdecke werden dünne Röhrchen eingeführt. Hier kann dann der operierende Arzt die nötigen Instrumente einführen, um damit die Gallenblase zu entfernen“, erläutert Prof. Dr. Grünberger, der zu den führenden Ärzten innerhalb der Hepato-Pankreato-Biliären Chirurgie gehört, was Operationen an der Leber, der Bauchspeicheldrüse und den Gallenwegen bzw. der Gallenblase meint.

Sind die Gallenwege so sehr erkrankt, dass sich ein Karzinom gebildet hat, so muss die gesamte Gallenblase in jedem Fall entfernt werden. „Das Gallenblasenkarzinom tritt in zwei Erscheinungsformen auf: 1. Als Zufallsbefund in der feingeweblichen Aufarbeitung der Gallenblase nach Entfernung wegen Steinen. Dabei ist eine Notwendigkeit der Nachresektion abhängig vom Tumorstadium und 2. als Zufallsbefund bei rechtem Oberbauchschmerz (dann meist bereits im fortgeschrittenen Stadium). Das Ausmaß der Resektion (mit umgebenden Strukturen wie Leber, Zwölffingerdarm, Dickdarm, Gallengang) bestimmt die Schwierigkeit des Eingriffs. Ohne Gallenblase kann man ohne Probleme leben, da die Gallenflüssigkeit in der Leber gebildet wird und über den Gallengang in den Zwölffingerdarm fließt, um dort bei der Verdauung zu helfen; die Gallenblase stellt lediglich ein Reservoir für zu viel produzierte Galle dar“, verdeutlicht Prof. Dr. Grünberger.

„Achten Sie auf eine cholesterinarme und ballaststoffreiche Ernährung, und halten Sie Ihr Gewicht einigermaßen im Zaum, um Ihre Gallenblase und Gallenwege zu unterstützen“, ermuntert Professor Dr. Grünberger, dem wir für den kleinen Exkurs in die Gallenwege herzlich danken.

Neben seiner klinischen Tätigkeit am SMZ-Süd ist Prof. Dr. Thomas Grünberger auch als Mitglied in der Österreichischen Gesellschaft für chirurgische Onkologie (ASSO) und als Mitglied der European Society of Surgical Oncology (ESSO) aktiv sowie Mitglied zahlreicher anderer Fachgesellschaften. Darüber hinaus bildet er angehende Mediziner und Krankenpflegekräfte aus und ist gefragter Referent im In- und Ausland. Prof. Grünberger leistet auf dem Gebiet der Onkologie intensive Forschungsarbeit, die sich in zahlreichen wissenschaftlichen Publikationen niederschlägt. Zusätzlich leitet Prof. Dr. Grünberger den Lehrstuhl für HPB-Chirurgie an der Sigmund-Freud Privatuniversität in Wien.

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