Nebenschilddrüsenadenom (Primärer Hyperparathyreoidismus) - Informationen und Spezialisten

02.02.2024
Prof. Dr.  Robert Schwab
Medizinischer Fachlektor

Beim Nebenschilddrüsenadenom handelt es sich um eine gutartige Wucherung der Nebenschilddrüse. Dadurch kommt es zu einer Überfunktion der Nebenschilddrüse (Hyperparathyreoidismus) und einem Anstieg des Kalziumspiegels im Blut (Hyperkalzämie).

Erfahren Sie hier mehr über das Nebenschilddrüsenadenom und finden Sie ausgewählte Spezialisten für die Behandlung dieser Nebenschilddrüsenerkrankung.

ICD-Codes für diese Krankheit: D35.1

Empfohlene Spezialisten für ein Nebenschilddrüsenadenom

Artikelübersicht

Was ist ein Nebenschilddrüsenadenom?

Ein Nebenschilddrüsenadenom ist eine gutartige Wucherung der Nebenschilddrüse. Als Nebenschilddrüse bezeichnen Mediziner endokrine Drüsen, die beidseitig an der Schilddrüse vorkommen.

Wie die Schilddrüse produzieren sie Hormone. Das Hormonprodukt der Nebenschilddrüsen ist das Parathormon.

Bei einem Nebenschilddrüsenadenom liegt eine übermäßige Ausschüttung von Parathormon vor, wodurch eine Überfunktion der Nebenschilddrüse entsteht (Hyperparathyreoidismus).

Das Parathormon erhöht die Kalziumkonzentration im Blut und fördert die Freisetzung von Kalzium aus Knochen, Nieren und Darm. Daher kommt es bei Patienten mit Nebenschilddrüsenadenom zu einem Anstieg des Kalziumspiegels im Blut (Hyperkalzämie).

Eine gesunde Nebenschilddrüse reguliert den Kalziumhaushalt über das Parathormon und einen Feedback-Mechanismus. Ist ein physiologischer Kalziumspiegel erreicht, senkt sich die Parathormon-Produktion ab.

Bei einem Adenom funktioniert dieser Rückkopplungsmechanismus nicht. Das Hormon entsteht unkontrolliert und führt zu:

  • Einer erhöhten Kalziumfreisetzung aus den Knochen
  • Einer Kalziumresorption im Darm

Symptome bei einem Nebenschilddrüsenadenom

Ist langfristig eine hohe Menge Kalzium im Blut, kommt es zu pathologischen Veränderungen.

Betroffen sind häufig:

  • Nieren
  • Magen
  • Darm
  • Bewegungsapparat

Durch den Hyperparathyreoidismus entstehen Symptome, die häufig sehr unspezifisch sind. Daher laufen Patienten bis zur Diagnosestellung meist einen langen Krankheitsverlauf durch.

Folgende Symptome können bei einem Nebenschilddrüsenadenom auftreten:

Entstehung des Nebenschilddrüsenadenoms – Ursachen & Risikofaktoren

Bei dem Nebenschilddrüsenadenom handelt es sich um einen Tumor im Gewebe der Nebenschilddrüse. Er kann einseitig oder beidseitig auftreten.

Tumore entstehen durch die Entartung von Zellen aufgrund von persistierenden Entzündungen oder von Mutationen des Erbguts. Unkontrollierte Zellteilungen führen zur Zellvermehrung und damit zur Gewebewucherung. Die entarteten Adenomzellen produzieren kontinuierlich das Parathormon.

Nebenschilddrüsenadenome treten in den meisten Fällen sporadisch auf und betreffen meist eine Nebenschilddrüse (solitäres Nebenschilddrüsenadenom).

Seltener können alle Nebenschilddrüsen betroffen sein (Mehrdrüsen-Hyperplasie). In den meisten Fällen bleibt die Ursache für die Entartung und die Entstehung des Adenoms unbekannt.

Zu den Risikofaktoren zählen:

  • Traumata
  • Verletzungen
  • Strahlenbelastungen im Halsbereichs
  • In seltenen Fällen liegt bei dem Nebenschilddrüsenadenom eine genetische Veranlagung vor, wie zum Beispiel:
  • MEN (multiple endokrine Neoplasie)
  • FIHP (familiärer isolierter Hyperparathyreoidismus)

Frauen sind häufiger von einem Nebenschilddrüsenadenom betroffen als Männer. Tritt es auf, entwickelt es sich meist zwischen dem 50. und 60. Lebensjahr.

Ablauf der Untersuchung und diagnostische Methoden

Stellt der Arzt bei einer Routine-Blutuntersuchung einen erhöhten Kalziumspiegel fest, kommt das Nebenschilddrüsenadenom als Ursache infrage.

Berichten Patienten über Symptome eines Hyperparathyreoidismus, liegt in circa 80 Prozent der Fälle ein parathormon-produzierendes Adenom vor.

Weniger wahrscheinlich sind Nebenschilddrüsenhyperplasien oder das Nebenschilddrüsenkarzinom.

Diese Erkrankungen sind zunächst Differenzialdiagnosen. Die weiteren Untersuchungen zeigen, ob die Diagnose eintrifft oder nicht.

Um ein Nebenschilddrüsenadenom nachzuweisen, nutzt der Arzt die Ergebnisse der Blutwerte. Zu den Laborwerten (erhöhtes Calcium und Parathormon) kommt meist  ein bildgebendes Verfahren (Sonografie) hinzu.

Mit dem Ultraschall lassen sich die vergrößerten Nebenschilddrüsen in den meisten Fällen lokalisieren und ausmessen.

Ultraschall Nebenschilddrüsenadenom
Abb. 1: Sonografie mit Darstellung eines Nebenschilddrüsenadenoms (mit freundlicher Abbildungserlaubnis von Fr. OFA Dr. Diekmeyer, Klin. Direktorin Nuklearmedizin, BundeswehrZentralkrankenhaus Koblenz)

Eine zusätzliche Nebenschilddrüsenszintigraphie bestätigt zu 90 Prozent den in der Sonographie zu vermutenden Lokalisationsbefund (Abb 2).Nebenschilddrüsenszintigraphie
Abb. 2: Klassische Nebenschilddrüsenszintigraphie (Spätaufnahme mit SPECT/CT) mit Darstellung eines Nebenschilddrüsenadenoms (mit freundlicher Abbildungserlaubnis von Fr. OFA Dr. Diekmeyer, Klin. Direktorin Nuklearmedizin, BundeswehrZentralkrankenhaus Koblenz)

Wenn die Sonografie und die Szintigrafie keine sichere Lokalisation des Adenoms feststellen, kommen folgende bildgebende Verfahren zum Einsatz:

  • 4D-Computertomografie (Abb. 3)
  • 4D-Magnetresonanztomografie
  • Cholin-PET CT (Abb. 4)

Nebenschilddrüsenadenom 4D-CT
Nebenschilddrüsenadenom 4D-CT
Nebenschilddrüsenadenom 4D-CT
Abb. 3 a-c: Darstellung eines Nebenschilddrüsenadenoms im 4D-CT in der nativen, arteriellen und venösen Phase, nachdem weder Sonografie noch Nebenschilddrüsenszintigraphie eine Lokalisation des Adenoms sicherstellen konnten (mit freundlicher Abbildungserlaubnis von Hr. OTA PD Dr. Waldeck, Klin. Direktor Radiologie und Neuroradiologie, BundeswehrZentralkrankenhaus Koblenz)

Nebenschilddrüsenadenom Cholin-PET-CT
Abb. 4: Darstellung eines Nebenschilddrüsenadenoms im Cholin-PET-CT, nachdem weder Sonografie noch Nebenschilddrüsenszintigraphie und 4D-CT eine Lokalisation des Adenoms sicherstellen konnten (mit freundlicher Abbildungserlaubnis von Fr. OFA Dr. Diekmeyer, Klin. Direktorin Nuklearmedizin, BundeswehrZentralkrankenhaus Koblenz)

Der Hyperparathyreoidismus ist eine Folge des Nebenschilddrüsenadenoms. Es kann viele Organe beeinflussen und schädigen. Daher ordnet der Arzt zusätzliche Untersuchungen aller beteiligten Organe an.

Diese reichen von Urinanalysen, Ultraschalluntersuchungen von Nieren und Bauchorganen bis hin zu Röntgenaufnahmen von Knochen (Knochendichte) und EKG.

Therapieoptionen und Fachärzte

Bei einem Nebenschilddrüsenadenom zieht der Hausarzt einen Spezialisten hinzu. Hier kommen neben einem Endokrinologen auch ein Nuklearmediziner in Frage. Je nach Symptomatik und Organbeteiligung ist eine Behandlung durch weitere Fachärzte wie Gastroenterologen, Nephrologen oder Neurologen nötig.

Die Chirurgie der Nebenschilddrüse ist die Therapieoption der Wahl, um die Auswirkungen des primären Hyperparathyreoidismus zu bekämpfen. Die Beobachtung des Nebenschilddrüsenadenoms durch regelmäßige ärztliche Kontrollen ist nur bei asymptomatischen Fällen möglich.

Für die chirurgische Entfernung des Adenoms sollten sich Patienten in einer Klinik mit Spezialisierung auf endokrine Chirurgie behandeln lassen. Dazu gehören zertifizierte Zentren für Schilddrüsen- und Nebenschilddrüsenchirurgie (http://www.dgav.de/zertifizierung/zertifizierte-zentren.html).

Bei einem Nebenschilddrüsenadenom entfernt der Chirurg die betroffene Nebenschilddrüse (Abb. 5). In über 85 Prozent der Fälle ist der Tumor einseitig und befindet sich in einem der kaudalen (unteren) Drüsen-Körperchen.

Um die Funktion der Nebenschilddrüse zu erhalten und einem Mangel an Parathormon vorzubeugen, bleiben die gesunden Nebenschilddrüsen am Schilddrüsengewebe. Einen Mangel an Parathormon nennen Mediziner auch Nebenschilddrüsenunterfunktion.

Nebenschilddrüsenadenom nach Resektion
Abb. 5: Makroskopisch typisches Bild eines Nebenschilddrüsenadenoms nach operativer Entfernung (mit freundlicher Abbildungserlaubnis von Hr. OTA Prof Dr. Schwab, Klin. Direktor Allgemein-, Viszeral-und Thoraxchirurgie, BundeswehrZentralkrankenhaus Koblenz)

Die Operation zur Adenomentfernung erfolgt unter Vollnarkose. Der Eingriff lässt sich als minimalinvasives Verfahren durchführen, wenn ein vereinzeltes Adenom vorliegt. 

Minimalinvasive Methoden haben den Vorteil, dass sie das Gewerbe nur gering schädigen. Zudem sind die Heilungsphase und die Erholungszeit nach der Operation geringer. Bei multiplen Adenomen und der Beteiligung weiterer Drüsen-Körperchen wählt der Chirurg eine konservative Operationsmethode.

Im Operationsbereich verlaufen die Stimmbandnerven und Schilddrüsen-Gefäße, die während der Entfernung des Gewebes verschont bleiben. Für eine Stimmbandnerv-Kontrolle führen Ärzte ein intraoperatives Neuromonitoring des Nervs durch. 

Eine pathologische Untersuchung der entnommenen Nebenschilddrüse und die Messung des Parathormonspiegels erfolgen noch während der OP. So stellen Ärzte den Erfolg der Therapie sicher.

Krankheitsverlauf und Prognose bei einem Nebenschilddrüsenadenom

Durch die Entfernung des überaktiven Nebenschilddrüsengewebes lässt sich der primäre Hyperparathyreoidismus erfolgreich behandeln. 

Bei einem solitären Adenom ohne gravierende Organschäden besteht für den Patienten eine Heilungschance. Der Parathormonspiegel und die Funktionalität der betroffenen Organe normalisieren sich wieder. Nach der Operation bekommen die Patienten Vitamin D- und Kalziumpräparate, um einen Mangel an Parathormon auszugleichen. Auch, um den Kalziumhaushalt zu stabilisieren.

Ungünstiger ist die Prognose, wenn Organschäden an Nieren oder Knochen vorliegen. Diese sind in der Regel nicht reversibel.

Nach der Entfernung der vier Epithelkörperchen kann es zu einer schwierigen Einstellung der Kalziumwerte kommen. Dies verschlechtert die Prognose insgesamt. 

Die langfristige Substitutionstherapie mit Calcium und Vitamin D ist in einzelnen Fällen nicht ausreichend. Daher kommt in diesen Fällen nur eine Hormonersatztherapie mit einem rekombinanten Parathormon in Frage. Die Hormonersatztherapie kommt seit 2017 zum Einsatz, jedoch benötigt sie eine aufwendige endokrinologische Begleitung.

Bei dem Nebenschilddrüsenadenom besteht die Therapie aus der Entfernung des entarteten Gewebes. Da der gesunde Teil der Nebenschilddrüsen die Funktion übernimmt, sind viele Patienten nach der Operation und kurzer Erholungszeit beschwerdefrei.

Regelmäßige Nachkontrollen sind jedoch wichtig, um den Kalziumspiegel im Auge zu behalten.

Quellen

www.aerzteblatt.de/archiv/34757/Primaerer-Hyperparathyreoidismus-Heute-ein-meist-asymtomatisches-Krankheitsbild www.deutsches-schilddruesenzentrum.de/wissenswertes/nebenschilddruese/ www.laekh.de/heftarchiv/ausgabe/artikel/2022/januar-2022/chirurgie-der-nebenschilddruesen-aktuelle-diagnostik-und-therapie www.ema.europa.eu/en/medicines/human/EPAR/naptar
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