Schmerzmittelabhängigkeit - Spezialisten und Informationen

26.09.2023
Leading Medicine Guide Redaktion
Autor des Fachartikels
Leading Medicine Guide Redaktion

Nicht nur Alkohol und Drogen, auch Medikamente können süchtig machen. Eine Schmerzmittelabhängigkeit entsteht durch die langfristige Einnahme von opioidhaltigen Schmerzmitteln. Süchtige spüren ein kaum beherrschbares Verlangen nach dem Medikament.

Weitere Infos & ausgewählte Spezialisten für die Behandlung einer Schmerzmittelabhängigkeit finden Sie im folgenden Artikel.

 

ICD-Codes für diese Krankheit: F55

Empfohlene Spezialisten für Schmerzmittelabhängigkeit

Artikelübersicht

Was ist eine Schmerzmittelabhängigkeit?

Eine Schmerzmittelabhängigkeit (auch Schmerzmittelsucht genannt) bedeutet eine Abhängigkeit von Medikamenten gegen Schmerzen. In der Fachsprache Analgetika genannt, unterteilen Experten diese Medikamentengruppe in drei Kategorien ein:

  • Opioide Analgetika
  • Nicht-opioide Analgetika
  • Cannabinoide

In Deutschland spielen vor allem Opioide und Nicht-opioide Analgetika eine Rolle. Zu den Nicht-opioiden Analgetika gehören beispielsweise:

  • Ibuprofen
  • Paracetamol
  • ASS (Acetylsalicylsäure) oder
  • Diclofenac

Sie sind (in niedriger Dosis) rezeptfrei in der Apotheke erhältlich. Zu den opioiden Schmerzmitteln, die verschreibungspflichtig sind und zum Teil dem Betäubungsmittelgesetz unterliegen, gehören:

  • Morphin
  • Tramadol
  • Oxycodon
  • Tilidin und
  • Fentanyl
FetanylFentanyl hat eine schmerzstillende Wirkung, die bis zu 100-mal stärker ist als die von Morphin. @ Joaquin Corbalan / AdobeStock

Die Wirkung von Schmerzmitteln

Ibuprofen blockiert vor allem die EnzymtätigkeitenOpioid-Schmerzmittel hingegen binden bestimmte Rezeptoren im zentralen Nervensystem an und beeinflussen so das chemische Gleichgewicht im Gehirn.

Parallel zu ihren schmerzstillenden Eigenschaften haben Opiate auch eine psychoaktive Wirkung und rufen euphorisierende Effekte hervor. Dies erhöht das Suchtpotenzial und damit die Gefahr des Missbrauchs.

Rund 16 Millionen Deutsche nutzen regelmäßig rezeptfreie Schmerzmittel. Aber auch die Zahl verschreibungspflichtiger Medikamente steigt: Bei den Opioiden ist die verordnete Menge zwischen 2006 und 2015 um etwa ein Drittel gestiegen.

Süchtig nach Medikamenten sind hierzulande rund 1,9 Millionen Menschen. Neben der Schmerzmittelabhängigkeit spielt auch die Abhängigkeit von Benzodiazepinen (Schlafmitteln) eine große Rolle in unserer Gesellschaft.

Symptome einer Schmerzmittelabhängigkeit

Eine Schmerzmittelabhängigkeit stellt sich in der Regel schleichend ein und zeigt sich erst, wenn es bereits zu spät ist. Durch das Absetzen der betreffenden Medikamente entwickeln die Betroffenen körperliche und/oder psychische Entzugserscheinungen. Eine weitere Ursache für die Sucht - beziehungsweise ein verstärkender Faktor - ist die missbräuchliche Nutzung eines Medikaments.

Hinsichtlich der Symptome lassen sich zwischen zwei Arten der Schmerzmittelsucht unterscheiden:

  1. Ist jemand von leichten Schmerzmitteln wie Ibuprofen abhängig, kommt es üblicherweise nicht zu schwerwiegenden körperlichen Symptomen. Die Sucht macht sich eher im Rahmen einer psychischen Abhängigkeit bemerkbar. Die Betroffenen sind überzeugt, dass sie die Schmerzen ohne das Medikament nicht aushalten können oder dass die Schmerzen sofort zurückkehren. Aus diesem Grund nehmen sie die entsprechenden Präparate - ohne medizinische Indikation - weiter.
  2. Die Sucht nach Opiaten dagegen äußert sich anhand verschiedener, gravierender psychischer und physischer Symptome. So entwickeln Betroffene zum Beispiel körperliche Entzugserscheinungen, wenn sie die Dosis reduzieren. Menschen, die starke Opioide einnehmen, leiden meist bereits nach wenigen Wochen oder sogar Tagen an einer psychischen und körperlichen Abhängigkeit.

Körperliche Entzugserscheinungen können sein:

Ebenfalls treten psychische Entzugserscheinungen auf. Sie äußern sich folgendermaßen:

Betroffene, die die Schmerzmittel absetzen oder einen Entzug beginnen wollen, sollten dies daher unter ärztlicher Aufsicht tun.

Schmerzmittelabhängigkeit erkennen

Eine Medikamentensucht lässt sich auch daran erkennen, dass die Einnahme der Medikamente immer mehr ins Zentrum rückt. Bereits der Gedanke, einmal auf die Einnahme verzichten zu müssen, führt bei Betroffenen zu Angst und Panik.

Häufig erhöhen Suchtkranke die tägliche Dosis eigenmächtig, oder suchen sich einen Arzt, der ihnen eine höhere Dosis verordnet. Körperliche und psychische Nebenwirkungen reden sie klein, um die Tabletteneinnahme nicht beenden zu müssen.

Meist gestehen sich Schmerzmittelabhängige die Sucht lange nicht ein. Die Abhängigkeit schreitet immer weiter voran und ist dann nur mehr mit einem Entzug in den Griff zu kriegen.

MorphinMorphin ist das stärkste bekannte natürliche Schmerzmittel, das für die Behandlung von tumorbedingten Schmerzen eingesetzt wird. @ Sherry Young / AdobeStock

Ursachen und Risikofaktoren für die Entstehung einer Schmerzmittelabhängigkeit

Ursache für eine Schmerzmittelabhängigkeit ist die dauerhafte Einnahme von verschreibungspflichtigen Opioiden. Ab und zu ein Schmerzmittel wie Ibuprofen oder Paracetamol zu nehmen, macht Sie nicht süchtig.

Bei Oxycodon oder Fentanyl sieht das anders aus: Diese Präparate machen bei Langzeitgebrauch auch schon in niedrigen Dosen abhängig.

Um den Einfluss der Schmerzmittel auf das Gehirn gering zu halten, sollten Patienten sie nur für kurze Zeit und in möglichst niedriger Dosierung einnehmen. Sonst stuft das Gehirn die schmerzstillende Wirkung und die euphorischen Gefühle als Belohnung ein.

Das wiederum führt zum sogenannten "Suchtgedächtnis", das immer wieder nach dieser Belohnung verlangt. Wenn diese ausbleiben, reagieren Körper und Psyche mit Entzugserscheinungen. Gewöhnt sich das Gehirn dagegen an die Belohnung, haben Betroffene das Bedürfnis, höhere Dosen einzunehmen, um die gewünschte Wirkung zu erhalten.

Ein Gewöhnungseffekt kann auch bei harmlosen Schmerzmitteln und Wirkstoffen wie Ibuprofen, Paracetamol oder ASS auftreten. Die Mittel lösen irgendwann nicht mehr dieselbe Wirkung aus: Während anfangs noch eine Tablette ausreicht, um den Schmerz zu lindern, müssen es später mehrere sein.

Ein weiteres Problem - gerade bei Kopfschmerzen - tritt auf, wenn sich die Schmerzen trotz der Einnahme der Medikamente verschlimmern. Die Ursache ist häufig ein sogenannter "medikamenteninduzierter" Kopfschmerz, den Betroffene mit dem eigentlichen Kopfschmerz verwechseln. Zudem können viele der genannten Medikamente Nebenwirkungen auslösen.

Diagnose einer Schmerzmittelabhängigkeit

Für die Untersuchung und Feststellung einer Schmerzmittelabhängigkeit gibt es laut WHO sechs Kriterien:

  • Starker Wunsch bzw. Zwang nach dem Konsum
  • Verminderte Kontrollfähigkeit hinsichtlich Beginn, Menge und/oder Beendigung der Einnahme
  • Körperliche Entzugserscheinungen
  • Toleranzentwicklung/Wirkungsverlust oder Dosissteigerung
  • Erhöhter Zeitaufwand für die Beschaffung
  • Fortsetzung des Konsums trotz Folgeschäden
  • Bei der Diagnose haben Ärzte das Problem, dass die Symptome einer Medikamentenabhängigkeit erst dann auftreten, wenn Betroffene die gewohnte Dosis reduzieren. Denn erst dann reagiert der Körper mit Entzugserscheinungen als deutlicher Hinweis.

Hinzu kommt, dass viele Nebenwirkungen genauso aussehen wie die Probleme, wegen denen die Personen angefangen haben, Medikamente zu nehmen.

Behandlung der Schmerzmittelabhängigkeit

Um eine Schmerzmittelabhängigkeit zu überwinden, eignet sich ein Entzug. Die Behandlung einer Opioid-Sucht sollte nicht ohne einen betreuenden Arzt erfolgen, weil die Entzugserscheinungen sehr belastend sein können. Daher sollten Suchtkranke einen Entzug in einer speziellen Suchtklinik durchführen.

Ziel ist eine ganzheitliche Behandlung. Der körperliche Entzug beginnt mit dem Ausschleichen der Medikamente. Die Ärzte reduzieren Schritt für Schritt die Dosis und begrenzen so die Stärke der Entzugserscheinungen. 

So haben Körper und Psyche Zeit, sich daran zu gewöhnen. Häufig nehmen Betroffene psychotherapeutische Angebote an. Sie beschäftigen sich mit den Ursachen ihrer Sucht und entwickeln neue Bewältigungsstrategien.

OxycodonOxycodon ist ein schmerzlindernder, angstlösender und psychotroper Wirkstoff, der für die Behandlung von mittelstarken bis starken Schmerzen eingesetzt wird. @ Gabriel Cassan / AdobeStock

Verlauf und Prognose

Da die Sucht oft unbemerkt bleibt, ist die Schmerzmittelabhängigkeit meist ein langsamer und schleichender Prozess. Mit therapeutischer Hilfe ist die Bewältigung in der Regel möglich. Wichtig für Betroffene und ihre Angehörigen ist es, die Therapie - gegebenenfalls auch in einer Klinik - nicht lange hinauszuzögern. Die Genesung gelingt schneller und einfacher, wenn die Sucht noch nicht so weit fortgeschritten ist.

Fazit

Verschreibungspflichtige, aber auch frei verkäufliche Schmerzmittel können süchtig machen. Während nicht-opioide Mittel wie Paracetamol nur eine psychische Abhängigkeit verursachen, sind bei opioiden Präparaten körperliche Entzugserscheinungen möglich. 

Die Diagnose einer Schmerzmittelsucht ist schwierig. Ärzte erkennen die Symptome der Sucht oft erst dann, wenn es bereits zu spät ist. Zu diesem Zeitpunkt hilft meist nur noch ein Entzug.

Quellen

https://www.mywaybettyford.de/suchtkompendium/schmerzmittelabhaengigkeit/
https://www.medikamente-und-sucht.de/behandler-und-berater/medikamentensicherheit/missbrauch-und-abhaengigkeit/abhaengigkeit-diagnosekriterien.html
https://dassuchtportal.de/medikamentensucht/symptome/
https://www.median-kliniken.de/de/behandlungsgebiete/abhaengigkeitserkrankungen/medikamentenabhaengigkeit/
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