Fazialisparese: Informationen & Fazialparese-Spezialisten

11.07.2022
Univ.-Prof. Dr. med. G. Björn Stark
Medizinischer Fachautor
Prof. Dr. med.  Holger  Bannasch
Medizinischer Fachautor
PD Dr. med. Steffen Eisenhardt
Medizinischer Fachautor

Unter Fazialisparese, auch Fazialislähmung genannt, versteht man verschiedene Formen von Gesichtslähmung. Betroffene können, häufig halbseitig, ihre Gesichtsmuskeln nicht bewusst steuern. Durch eine Vielfalt von möglichen operativen Eingriffen kann allerdings eine gute Patientenzufriedenheit erzielt werden. Als rekonstruktive Eingriffe werden die Kosten einer Behandlung in der Regel von den Krankenkassen übernommen.

Hier finden Sie weiterführende Informationen sowie ausgewählte Fazialparese-Spezialisten und Zentren.

ICD-Codes für diese Krankheit: G51

Fazialisparese: Informationen & Fazialparese-Spezialisten

Artikelübersicht

Was ist eine Fazialisparese?

Die Fazialisparese, auch Fazialislähmung genannt, stellt für die Betroffenen eine ausgesprochen stigmatisierende Erkrankung dar. Sie können ihre Gesichtsmuskulatur nur unzureichend kontrollieren. Ihr Gesichtsausdruck wirkt dadurch auf andere Menschen unpassend oder auffällig. Meistens ist dabei nur eine Gesichtsseite betroffen.

Ursache für die Fazialisparese ist der 7. Gerhirnnerv (Nervus facialis-Gesichtsnerv). Er ist in erster Linie für die mimische Muskulatur verantwortlich. Ferner nimmt er Einfluss auf die Tränen- und Speichelsekretion sowie die Geschmackswahrnehmung.

Eine Vielzahl von Ursachen kann zu einer Schädigung des Nervs mit Funktionsminderung bzw. -verlust führen. Am häufigsten ist die so genannte idiopathische Fazialisparese (Bell’s palsy), die nur eine Gesichtshälfte betrifft. Eine Ursache lässt sich dafür nicht finden. Diese Form der Fazialisparese bildet sich in den meisten Fällen spontan zurück.

Weitere Ursachen sind unter anderem

  • Infektionen,
  • Verletzungen, z.B. im Rahmen von operativen Eingriffen,
  • Tumoren.

Eine Fazialisparese tritt bei etwa 20-30 pro 100.000 Personen und Jahr auf. Eine Ursache ist in 80 Prozent nicht auszumachen.

Welche Beschwerden können bei einer Fazialisparese auftreten?

Eine Funktionseinschränkung/-verlust des N. facialis kann je nach Lokalisation folgende Beschwerden nach sich ziehen:

  • Einseitige schlaffe Lähmung der mimischen Gesichtsmuskulatur
  • Gesichtsasymmetrie – erweiterte Lidspalte (Verlust der Fähigkeit des vollständigen Lidschlusses mit Gefahr von Hornhautschäden)
  • positives Bell-Phänomen: aufgrund des unvollständigen Lidschlusses wird die physiologische Aufwärtsbewegung des Augapfels sichtbar
  • verstrichene Stirn- und Nasolabialfalten
  • beeinträchtigte Sprache aufgrund der Schwäche der Wangen- und Lippenmuskulatur
  • Geschmacksstörung der vorderen zwei Drittel der Zunge
  • Abnahme der Speichelsekretion
  • Geräusch-Überempfindlichkeit
  • Abnahme der Tränensekretion

Frau mit Fazialparese
Frau mit Bell’s palsy-Gesichtslähmung © Jo Ann Snover | AdobeStock

Man unterscheidet zwischen der

  • zentralen Fazialislähmung (hierbei findet sich die Schädigung im Gehirn) und
  • peripheren Fazialislähmung (hierbei liegt eine Schädigung des Nervs selbst vor).

Beim zentralen Lähmungstyp ist v.a. die mimische Muskulatur des Mundes betroffen. Dadurch ist der Patient im Gegensatz zum peripheren Lähmungstyp noch in der Lage, die Stirn zu runzeln.

Diagnostik der Fazialislähmung

In interdisziplinärer Zusammenarbeit erfolgt sowohl eine eingehende klinische und elektrophysiologische Untersuchung der Patienten. Hierbei kommen Testverfahren wie

  • die Durchführung von Nervenerregbarkeitstests,
  • die Untersuchung der Nervenleitgeschwindigkeit sowie
  • Elektromyographien

zur Anwendung. Ziel ist es, Ursache, Lokalisation und Ausprägung der Fazialisparese zu ermitteln. Auch die evtl. noch vorhandene Restfunktionen des N. facialis ist von Interesse.

Im Einzelfall werden noch weitere Spezialuntersuchungen mittels Computertomographie (CT) und Magnetresonanztomographie (MRT) durchgeführt.

Im Anschluss wird gemeinsam mit dem Patienten ein individuelles Behandlungskonzept entwickelt.

Operative Therapie der Fazialisparese

Sobald davon auszugehen ist, dass sich die Lähmungszustände nicht weiter spontan bessern, ist eine operative Therapie notwendig.

Je nach Ursache und Ausprägung der Erkrankung stehen verschiedene operative Verfahren zur Verfügung. Hierzu gehören

  • Techniken der Nervenrekonstruktion sowie
  • sekundär plastisch-rekonstruktive Maßnahmen mit dem Ziel der Rehabilitation des Mundes bzw. des Auges.

Aufgrund der Vielfalt der möglichen operativen Eingriffe lässt sich nur schwer eine einheitliche Aussage zur Wahl der Narkoseverfahren treffen.

Die komplexen Eingriffe im Gesichtsbereich werden fast ausschließlich in Vollnarkose durchgeführt. Sie umfassen die freien Muskelverpflanzungen zur dynamischen Rekonstruktion des Mundwinkels. Der stationäre Aufenthalt kann dann 7-10 Tage dauern.

Kleinere korrigierende Eingriffe können auch als ambulante Eingriffe, teilweise in örtlicher Betäubung, durchgeführt werden.

Verschiedene Methoden bei der operativen Behandlung der Fazialislähmung

Die Wahl der Methodik hängt wesentlich von

  • der Ursache,
  • der Zeitdauer seit Bestehen der Fazialisparese sowie
  • vom Wunsch des Patienten

ab. Über das Verfahren der Wahl müssen Chirurg und Patient gemeinsam entscheiden.

Prinzipiell lässt sich zwischen

  • rekonstruktiven Möglichkeiten zur Wiederherstellung des vollständigen Augenschlusses sowie
  • Verfahren zur Wiederherstellung der Gesichtssymmetrie und ggf. Mundwinkeldynamik zur Wiedererlangung des Lächelns

unterscheiden.

Nervenrekonstruktion – Primäre Nervennaht

Nach erlittener Verletzung bietet die sofortige Versorgung die besten Aussichten für eine erfolgreiche Reinnervation.

Sekundäre Nervennaht – Nerveninterponate

Hierfür werden Hautnerven benötigt, die für das Gefühl zuständg sind. Dafür bietet sich z.B. N. suralis vom Unterschenkel an. Damit können Defekte im Verlauf des N. facialis erfolgreich überbrückt werden.

Hypoglossus-Fazialis-Anastomose

Hierbei werden Teile des N. hypoglossus (Zungennerv) mit peripheren Enden des N. facialis verbunden. Die Mediziner erzielen so eine Reinnervation der gelähmten Muskulatur.

Nachteil dieses Verfahrens ist das Auftreten von sogenannten „Synkinesien“, also das Auftreten von ungewollten Muskelbewegungen.

Cross-Face Nerve Graft (CFNG)

Nicht immer ist ein geeigneter zentraler N. facialis-Stumpf verfügbar. Dann bietet sich ein Nerventransplantat von der Wade an. Damit können die Mediziner die Innervation der Muskulatur der gelähmten Seite von der gesunden Seite aus erreichen.

Zusätzlich kann das CFNG als Anschlussnerv für eine freie Muskeltransplantation dienen. Zum Anschluss des CFNG muss dabei auf der gesunden Seite ein kleinerer Fazialisast verwendet werden.

Aufgrund der Redundanz des Nervs im Versorgungsgebiet kommt es dabei zu keinen funktionellen Einschränkungen auf der gesunden Seite. Unter Redundanz versteht man in diesem Kontext, dass dieselbe Funktion von mehreren Nervenästen ausgelöst wird.

Muskelumlagerungen/-verpflanzungen (Neuromuskuläre Transposition)

Auch die Einbringung eines innervierten Kaumuskels in die gelähmte mimische Muskulatur ist möglich, z.B. durch Umlagerung. Hierfür eignet sich insbesondere der Schläfenmuskel oder der Kaumuskel. Sie werden über einen nicht betroffenen Hirnnerv versorgt, den Nervus trigeminus.

Auch die freie neurovaskuläre funktionelle Muskeltransplantation gehört zum Routinerepertoire spezialisierter Zentren. Hierunter versteht man die Verwendung eines freien Muskel-Nerv-Gefäß-Transplantates als Ersatz für die gelähmte Gesichtsmuskulatur. Denkbar wären z.B. ein Teil des Oberschenkel- (M. gracilis) oder Rückenmuskels (M. latissimus dorsi)

Dabei muss die komplette Gefäßversorgung und nervale Versorgung des Muskels im Gesicht wieder hergestellt werden. Das erfordert einen mehrstündigen mikrochirurgischen Eingriff.

Ein solcher Eingriff erzielt die besten Ergebnisse, da eine dynamische Rekonstruktion des Lächelns möglich ist. Der Vektor (die Zugrichtung) des Muskels im Gesicht lässt sich damit frei wählen. Somit lässt sich das gewünschte Ergebnis am besten der Gegenseite anpassen.

Als Spendernerv dient dabei

  • entweder ein CFNG, das in einem vorherigen Eingriff vorgelegt wurde (mit einem zeitlichen Abstand von 6-9 Monaten), oder
  • direkt der Nerv für den Kaumuskel.

Statische Zügelungsoperationen

In einigen Fällen kann die statische Zügelung durch Sehnenstreifen (meist vom Oberschenkel entnommen) notwendig sein. Hierbei wird lediglich die Symmetrie des Gesichtes wiederhergestellt. Eine Dynamik des Mundwinkels, z.B. zum Lächeln, lässt sich damit nicht erzielen.

Vor allem bei Patienten im hohen Lebensalter ohne maximalen Therapiewunsch kann dies eine zufriedenstellende Option sein.

Rekonstruktive Eingriffe für den Lidschluss

Statische Zügelungsoperationen, ggf. mit Implantation eines Oberlidgewichtes: In vielen Fällen ist bereits eine Straffung des Lidbändchens am Unterlid ausreichend, um einen Augenschluss zu erreichen.

Zusätzlich können bei Bedarf Gewichte im Oberlid, z.B. aus Gold oder Platin, implantiert werden. Dann hilft die Schwerkraft mit, um die Augen vollständig zu schließen.

Manche Patienten möchten die Augen willentlich wieder zusammenkneifen können. Dann benötigen sie eine dynamische Wiederherstellung des Augenschlusses.

Hierzu bieten sich Muskelumlagerungsverfahren an. Z.B. kann ein Teil eines Schläfenmuskels so umgelagert werden, dass in den ersten Monaten das Zubeißen zum Augenschluss führt.

In der Regel kommt es innerhalb weniger Monate zu einer Verselbstständigung dieses Mechanismus. Dann ist der Augenschluss auch ohne Zubeißen möglich.

Die erste Zeit nach der chirurgischen Behandlung der Fazialislähmung

Eine spezielle Nachbehandlung ist in der Regel nicht notwendig. Intraoperativ eingelegte Drainagen zur Abführung des Wundwassers werden im Rahmen des stationären Aufenthaltes entfernt. Der Fadenzug erfolgt nach 10-12 Tagen.

Bei Verfahren, die auf der Regeneration des Nervs beruhen (CFNG, freie Muskelverpflanzung), ist mit einigen Monaten Regenerationszeit zu rechnen. Erst dann sind erste Muskelaktivitäten sichtbar.

Ggf. kann auch die post-operative Gesichtsgymnastik den Regenerationsprozess unterstützen.

Mögliche Risiken und Komplikationen bei der Operation der Fazialisparese

Kein Eingriff kann die komplette Mimik oder Funktionalität wiederherstellen. Dennoch lassen sich gute Ergebnisse erzielen, die für die oftmals stigmatisierten Patienten eine deutliche Verbesserung bedeuten.

Die teilweise hochkomplexen, langwierigen operativen Eingriffe bringen aber auch Risiken mit. Es besteht wie bei jeder Operation das Risiko für Nachblutungen oder Infektionen. Sie sind jedoch kontrollierbar.

Je komplexer der Eingriff, desto höher ist auch das Risiko, dass das Ergebnis nicht zufriedenstellend ist.

So kann z.B. bei der Nervenverpflanzung die Nervenregeneration ausbleiben. Bei der freien Muskelverpflanzung kann es aufgrund von Durchblutungsstörungen zum Verlust des Muskels kommen. Beim CFNG können außerdem Nervenfasern auf der gesunden Gesichtsseite geschädigt werden.

Generell sind diese Komplikationen jedoch selten. Sie lassen bei Ausbleiben des Erfolges außerdem noch Möglichkeiten zu weiteren alternativen Eingriffen.

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