Skoliose | Diagnose, Behandlung & Arzt finden

07.01.2021
Prof. Dr. med. Jürgen Harms
Autor des Fachartikels

Bei einer Skoliose ist die Wirbelsäule seitlich verkrümmt und es kann zu einer Rotation der einzelnen Wirbelkörper kommen. Von hinten betrachtet ist die Wirbelsäule bei gesunden Personen nahezu gerade. Bei Skoliose biegt sich die Wirbelsäule zur Seite, dies kann an jedem Wirbelsäulenabschnitt auftreten. Dabei bildet sich häufig ein sogenannter Rippenbuckel und Lendenwulst. Im fortschgeschrittenen Stadium der Skoliose und vor allem bei verdrehten Wirbelkörpern kommt es zu Symptomen und Schmerzen. 

Hier finden Sie alle Informationen über Skoliose sowie empfohlene Spezialisten für die Behandlung von Skoliose.

ICD-Codes für diese Krankheit: M41

Empfohlene Skoliose-Ärzte

Kurzübersicht:

  • Was ist Skoliose? Eine seitliche Verkrümmung der Wirbelsäule, gelegentlich verbunden mit einer Rotation der einzelnen Wirbelkörper.
  • Formen: Die häufigste Form ist die idiopathische Adoleszentenskoliose (IAS). Deutlich seltener tritt die kongenitale Skoliose auf. In diesem Fachbeitrag wird nur die IAS ausführlich behandelt.
  • Wer ist betroffen? Frauen sind deutlich häufiger betroffen als Männer. Die Beschwerden treten ab einem Alter von 10-12 Jahren auf, meistens nach einem signifikanten Wachstumsschub.
  • Ursachen: Vermutlich liegt eine familiäre Vorbelastung vor, genauere Erkenntnisse gibt es jedoch nicht. Offenbar überspringt die Erkrankung häufig eine Generation.
  • Diagnose: Erfahrene Kinderärzte können durch eine körperliche Untersuchung erste Anzeichen erkennen. Auf eine Verdachtsdiagnose ordnet der Arzt ein Röntgenbild an.
  • Verlauf: Nach der Diagnose wird deren Verlauf regelmäßig kontrolliert. Nicht immer verschlechtert sich eine Skoliose, sehr selten kann sie sich auch wieder zurückbilden.
  • Behandlung: Die Therapie richtet sich nach dem Schweregrad der Erkrankung. Häufig wird eine Physiotherapie zusammen mit einer Atemtherapie verordnet. Oftmals ist jedoch eine OP notwendig, um die Fehlbildung zu korrigieren.

Artikelübersicht

Häufigste Skoliose-Form: Idiopathische Adoleszentenskoliose (IAS)

Skoliose tritt bei etwa 3-5 % der Bevölkerung auf. Zu unterscheiden sind die idiopathische und die kongenitale Skoliose, wobei die idioptathische Form die häufigste Form von Skoliose darstellt.

Die kongenitale Skoliose entsteht durch Fehlform und/oder Fehlentwicklung einzelner Wirbelkörper. 

Bei einer idiopathischen Adoleszentenskoliose (IAS) handelt es sich um eine Veränderung der normalen Form der Wirbelsäule, die sich in allen 3 Ebenen einer Wirbelsäule - koronare, sagittale und transversale Ebene - abspielt.

Eine Skoliose wird am ehesten erkennbar durch die Verkrümmung zur Seite (koronare Ebene). Diese Verkrümmung in der koronaren Ebene ist immer mit einer Rotation der Wirbelkörper verbunden. Da die Rippen an den einzelnen Wirbelkörpern hängen, kommt es durch diese Rotation zur Ausbildung eines mehr oder weniger stark ausgebildeten Rippenwulstes, was vom Ausmaß der Rotation abhängt, oder zur Ausbildung eines Lendenwulstes.

Skoliose

Links: Schematische Darstellung von Skoliose. Rechts: Gesunde Wirbelsäule © Koterka Studio| AdobeStock

Bei der Beschreibung einer Skoliose darf jedoch das sagittale Profil (Ansicht der Wirbelsäule von der Seite) nicht vergessen werden, da die IAS häufig mit einer starken Veränderung auch des sagittalen Profils einhergeht, insbesondere im Sinne der Ausbildung eines Flachrückens.

In welchem Lebensalter tritt die IAS auf?

Frauen sind im Verhältnis 80:20 deutlich häufiger von Skoliose betroffen als Männer. Skoliose wird meistens erst im Alter von 10-12 Jahren erkennbar, häufig nach einem deutlichen Wachstumsschub. 

Die auffälligsten Merkmale, die bei der Erkennung der IAS eine Rolle spielen, ist die Seitverbiegung und die Rotation der Wirbelkörper mit Ausbildung der o.g. Deformitäten im Brust- und/oder Lendenwirbelsäulenbereich. 

Ursache der Skoliose

Wir gehen heute davon aus, dass die IAS auf dem Boden einer genetischen Erkrankung entsteht, wobei das “Skoliose-Gen” bis heute nicht entdeckt ist. Für diese Hypothese spricht auch die Tatsache, dass sich in Familien, in denen einmal eine Skoliose bekannt geworden ist, häufig auch in den nachfolgenden Generationen eine IAS ausbildet, wobei häufig eine Generation übersprungen wird. 

Diagnose der IAS

Besteht der Verdacht, dass sich eine Verkrümmung der Wirbelsäule ausbildet, sind folgende Untersuchungen notwendig.

Im Rahmen der klinischen Untersuchung betrachtet der Arzt das Kind von hinten und tastet die Dornfortsätze der Wirbelsäule ab. Hier ist schon relativ früh eine Ausbiegung der Wirbelsäule, entweder im Bereich der Brustwirbelsäule (BWS) oder Lendenwirbelsäule (LWS) sichtbar. 

Ist es zu diesem Zeitpunkt schon zu einer rotatorischen Fehlstellung der Wirbelkörper gekommen, so ist ein mehr oder weniger stark ausgebildeter Rippen- oder Lendenwulst vorhanden.

Bei der Frühdiagnostik der Skoliose kommt dieser Rippenwulstbildung doch eine erhebliche Bedeutung zu, da häufig bei einer aktiv durchgeführten Inklinationsbewegung (Vornüberneigung des Rumpfes) die Skoliose sich ausgradet, wobei der Rippenwulst stärker hervortritt. Ursache ist, dass bei der Vorbeugung zwar die seitliche Verkrümmung zum Teil ausgeglichen wird, jedoch nicht die axiale Rotation, die den Rippenwulst dann deutlich sichtbar macht. 

Bei der klinischen Untersuchung ist es wichtig, darauf zu achten, ob das Taillendreieck verstrichen oder eingezogen ist. Bei Skoliosen im Lendenwirbelsäulenabschnitt kommt es durch die Ausbiegung der Wirbelsäule, zumeist nach links, zu einer Auswulstung des Taillendreiecks auf der linken Seite und zu einem Einziehen des Taillendreiecks auf der Gegenseite. 

Wenn diese klinischen Veränderungen erkennbar sind, sollte möglichst rasch eine radiologische Diagnostik durchgeführt werden. Dabei sollte darauf geachtet werden, dass schon bei der ersten Röntgenuntersuchung immer eine Wirbelsäulenganzaufnahme durchgeführt wird, und zwar sowohl in der koronaren, als auch der sagittalen Ebene (Betrachtung von der Seite). 

Es ist wichtig, dass schon die erste radiologische Diagnostik in den beiden Ebenen zu erfolgen hat, da die Veränderungen des seitlichen Profils schon sehr gute Hinweise auf die weitere Entwicklung der IAS geben können. 

Verlauf: Wie entwickelt sich eine Skoliose?

Wenn klinisch und radiologisch eine IAS sicher nachgewiesen ist, sind regelmäßige Kontrolluntersuchungen notwendig, um eine Progredienz zu erkennen.

Nicht jede leichte Skoliose verschlechtert sich während des weiteren Wachstums. Es gibt zu diesem Zeitpunkt - Skoliosekrümmung radiologisch gemessen zwischen 15 und 20° - 3 Möglichkeiten: 

  1. Die Skoliose verharrt in dieser Situation. 
  2. Die Skoliose verschlechtert sich mit Zunahme der Verkrümmung in allen 3 Ebenen. 
  3. In einem kleineren Prozentsatz kommt es bei Skoliosen in der o.g. Größenordnung sogar zu einer Rückbildung der Verkrümmung. 

Behandlung: Weitere Diagnostik und Therapie bei Skoliosen

Wird eine Skoliose von 15-20 ° festgestellt, wird schnellstmöglich eine physiotherapeutische Behandlung eingeleitet und vielen Patienten wird eine Korsettbehandlung empfohlen.

Bei einer Skoliose mit einem Winkelgrad von 30° oder mehr kann der durch Krankengymnastik erzeugte Muskelaufbau jedoch keine Verbesserung mehr erzielen. Dennoch ist eine weitere, gezielte Beübung sinnvoll, wobei die Physiotherapie auch mit einer entsprechenden Atemtherapie zu verbinden ist. 

Eine Physiotherapie, auch nicht die von Lehnert-Schroth, ist definitiv nicht in der Lage, eine Progredienz der Skoliose aufzuhalten. Weiterhin sollten der Patient und der behandelnde Arzt wissen, dass eine Korsetttherapie niemals in der Lage ist, die Progredienz einer Skoliose aufzuhalten. 

Vor der häufig unreflektiert eingeleiteten Korsettbehandlung ist jedoch zu warnen, dafür gibt es verschiedene Gründe:

  1. Es gibt bis heute keinen Beweis, dass durch eine Korsettbehandlung dauerhaft die Progredienz einer Skoliose aufgehalten werden kann. Es wird schon als ein sehr günstiges Ergebnis angesehen, wenn die Skoliose sich nicht weiter verkrümmt, wobei ich auf die mögliche Entwicklung der Skoliose oben schon hingewiesen habe.
  2. Ein wesentlicher Grund gegen eine Korsettbehandlung ist der negative Einfluss einer Korsettbehandlung auf das sagittale (seitliche) Profil der Wirbelsäule, die ja in den meisten Fällen schon im Sinne einer Lordose (in den meisten Fällen einer Thorakalskoliose) im Sinne einer Entkyphosierung der Wirbelsäule verändert ist (apikale, thorakale Lordose). 
  3. Der 3. wichtige Punkt ist, dass die Korsettbehandlung darauf beruht, dass ja nicht ein direkter korrigierender Eingriff an der Wirbelsäule erfolgt, sondern über die Rippen der Wirbelsäule mit getragen wird. Dadurch kommt es bei einer langdauernden Korsettbehandlung, die ja häufig, bei einer frühen Erkennung der Wirbelsäule 4-5 Jahre betragen kann, zu erheblichen Veränderungen im Bereich des Ansatzes der Rippen, und zwar im Costotransversal- und Costovertebral Gelenk (die Rippen sind über 2 Gelenke mit dem zugehörigen Wirbelkörper verbunden).

Diese druckbedingte Veränderung im Bereich der Rippenwirbelgelenke führt zu einer deutlichen Erhöhung der Rigidität. Wenn nach langjähriger Korsettbehandlung dann doch operative Maßnahmen eingeleitet werden sollen oder müssen, sind diese Veränderungen ein deutliches Problem bei der operativen Korrektur. 

Die zunehmende Ankylosierung (Versteifung der Wirbelgelenke) stellt ein ganz erhebliches Problem bei der operativen Behandlung der Skoliose dar. 

Operative Therapie bei Skoliose

Wann ist eine OP notwendig?

Je nach Progredienz (fortschreitende Verschlechterung) der Skoliose ist eine operative Behandlung notwendig, wobei der Altersgipfel, abhängig von der Geschwindigkeit des Wachstums zwischen dem 12.-16. Lebensjahr liegt. Man sollte den Zeitpunkt der Operation soweit als möglich verzögern, um den negativen Einfluss der Operation auf das weitere Längenwachstum der Wirbelsäule so gering als möglich zu halten. 

Als grober Anhalt für eine Operation gilt eine Winkelbildung von mehr als 40° in der koronaren Ebene. 

Die Progredienz der Skoliose drückt sich jedoch nicht nur in der koronaren Ebene aus, sondern auch in der sagittalen und der Rotationsebene, sodass diese beiden Ebenen bei der Indikation zur Operation immer mitbeachtet werden müssen. Eine Indikation zur Operation kann z. B. eine Skoliose mit einer Winkelbildung von 30° mit einer sehr starken Rotation darstellen, da man hier mit hoher Sicherheit voraussagen kann, dass es im weiteren Verlauf zu einer deutlichen Verschlechterung der Skoliose kommen wird. 

Bei der Indikation zur Operation sollte auch beachtet werden, dass die Progredienz der Skoliose mit Abschluss des Wirbelsäulenwachstums (16/17 Jahre) nicht beendet ist. Dies ist recht einfach dadurch zu erklären, da besonders in der LWS durch die skoliotische Fehlhaltung es zu einer massiven Fehlbelastung der Bandscheiben kommt (Druckerhöhung in der Bandscheibe auf der Konkavität der Skoliose), was dann zu einer frühzeitigen, unphysiologischen Degeneration der Bandscheiben führt, was wiederum mit einer Verschlechterung der Verkrümmung einhergeht.

Dies ist besonders bei den sog. thorakolumbalen oder lumbalen Skoliosen offensichtlich, bei denen eine Zunahme der Skoliose mit einer Zunahme der Schmerzen durch den oben genannten Mechanismus voraussagbar ist. 

Der Sinn einer Operation zur Korrektur der Fehlstellung in allen 3 Ebenen ist nicht nur eine Verbesserung des kosmetischen Erscheinungsbildes, was ja durchaus bei ausgeprägter Form auch zu psychischen Belastungen führen kann, sondern die Vermeidung von sekundären Folgeschäden (frühzeitige Degeneration der Skoliose mit daraus resultierenden, erheblichen Schmerzen im Erwachsenenalter), die dann häufig eine größere und schwerere Operation im Erwachsenenalter nach sich ziehen. 

Operationstechniken

Verschiedene Zugangswege sind möglich, um eine operative Korrektur der Skoliose zu erreichen: 

  • Der am häufigsten gebrauchte hintere Zugang zur Wirbelsäule, der jedoch mit verschiedenen Nachteilen verbunden ist (längere Instrumentation, unzureichende Korrektur der Rotationsfehlstellung und der sagittalen Fehlstellung). 
  • Der vordere Zugang zur Wirbelsäule, wobei es sich hier um einen vorderen, seitlichen Zugang handelt. Bei geeigneter Indikationsstellung erlaubt dieser Zugang eine sehr gute Korrektur in allen 3 Ebenen der Wirbelsäule, verbunden mit in der Regel einer kürzeren Instrumentation in die LWS hinein. Eine möglichst kurze Instrumentation und Versteifung in der LWS ist von großer funktionaler Bedeutung, da etwa 70-80 % der Gesamtbewegung aus der Wirbelsäule her aus resultiert. 
  • Bei sehr rigiden Skoliosen oder auch bei Double-Curves kann ein doppelter Zugang (von hinten und vorne seitlich) notwendig sein, um ein optimales kosmetisches, aber auch funktionelles Ergebnis zu erzielen. 

Im Rahmen des ventralen Zuganges (von vorne) muss auch die seit etwa 5 Jahren durchgeführte Technik des Tetherings erwähnt werden. Hier wird versucht, über einen vorderen, seitlichen Zugang eine Korrektur der Skoliose ohne Fusion (Versteifung) zu erreichen. Dabei soll durch die Zügelung des Wachstums auf der Konvexität der Skoliose und des weiteren Wachstums auf der Konkavität der Skoliose eine Korrektur erreicht werden. 

Die ersten mittelfristigen Ergebnisse lassen partiell gute Korrekturen erkennen. Es ist jedoch wichtig, dass diese Technik keinen wesentlichen Einfluss auf das seitliche Profil und auf die axiale Rotationsfehlstellung hat, überwiegend wird eine Korrektur in der Frontalebene erreicht. 

Zum jetzigen Zeitpunkt ist diese “Tethering-Technik“ noch nicht abschließend zu beurteilen. Sie bietet jedoch einen interessanten Ansatz, der in begrenztem Maße einen kritischen Optimismus erlaubt. 

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