Pseudarthrose - Spezialist finden und Informationen

12.03.2024
Prof. Dr. med. Susanne Regus
Medizinische Fachautorin

Ein Knochenbruch ist schmerzhaft und erfordert vom Patienten viel Geduld. Je nachdem, welcher Knochen in Mitleidenschaft gezogen wurde, kann die Heilung mehrere Wochen oder gar Monate in Anspruch nehmen. Wenn ein Knochen aber auch nach mehr als sechs Monaten noch nicht vernünftig zusammengewachsen ist und Probleme verursacht, dann kann sich eine Pseudarthrose entwickelt haben.

Erfahren Sie hier, was eine Pseudoarthrose ist, welche Merkmale sie hat und welche Therapieformen hierbei erfolgsversprechend sein können sowie ausgewählte Pseudarthrose-Spezialisten.

ICD-Codes für diese Krankheit: M84.1, M96.0

Empfohlene Pseudarthrose-Spezialisten

Kurzübersicht:

  • Was ist eine Pseudoarthrose? Verheilt ein Knochenbruch nach spätestens sechs Monaten nicht ausreichend, kann er zu erheblichen Beschwerden, darunter Schmerzen und Bewegungseinschränkungen führen.
  • Symptome: Schmerzen, Schwellung, Rötung, Bewegungseinschränkungen, Hypermobilität, instabile Gelenke.
  • Diagnose: Mittels Röntgenbild, Computertomographie und MRT ist eine Pseudoarthrose gut zu erkennen.
  • Ursachen: Mechanisch bedingt: Zu frühe Mobilisierung, Verschiebung von Weichteilen oder der Bruchstellen gegeneinander, zu geringe Wundkompression. Morbide bedingt: Infekte, arterielle Erkrankungen, Diabetes mellitus.
  • Behandlung: Je nach Ursache kommen verschiedene Therapien infrage, darunter eine Knochenstabilisierung, Osteosynthese, Aufbau von Knochensubstanz, Entfernen von erkranktem Gewebe, Nahrungsergänzungsmittel.
  • Fachgebiete: Knochenchirurgie und Orthopädie.

Artikelübersicht

Was ist eine Pseudarthrose?

Bei diesem Beschwerdebild sollte man sich nicht zwingend nur vom Namen leiten lassen. Denn mit einer normalen Arthrose, die in der Regel durch einen Verschleiß von Gelenken entsteht, hat es nichts zu tun.

Der Begriff einer Pseudarthrose setzt sich zusammen aus „pseud“ und „arthros“. „Pseud“ steht für falsch, „arthros“ für Gelenk. Bei der Pseudoarthrose handelt es sich somit um ein falsches Gelenk, welches dann entsteht, wenn Bruchstellen nach einer Knochenfraktur nicht ausreichend verheilt sind.

Die Knochenenden wachsen zwar zusammen und bilden eine Verbindung, aber diese wird nicht fest und stabil, wie es eigentlich sein sollte. Daher entsteht im Bereich der ehemaligen Bruchstelle eine gelenkige Verbindung zwischen den Bruchenden, welche vorher nicht bestanden hat. Dieses Falschgelenk kann zu erheblichen Problemen wie etwa Schmerzen und Bewegungseinschränkungen führen. Pseudo- und Scheingelenk sind weitere Begriffe, unter denen die Pseudoarthrose bekannt ist.

Wie unterscheiden sich eine verzögerte Bruchheilung und die Pseudarthrose?

Die normale ungestörte Frakturheilung dauert in etwa 4 bis 6 Wochen, kann bei komplexen Knochenbrüchen aber auch durchaus länger dauern, bis zu 12 Wochen. 

Wenn eine Fraktur nach 12 Wochen nicht abgeheilt ist, dann spricht man von einer verzögerten Frakturheilung, nach Ablauf von 6 Monaten handelt es sich um eine Pseudoarthrose.

Besonders anfällig für Pseudarthrosen sind lange Knochen, auch Schaftknochen genannt. Hierzu zählen Oberschenkel, Kahnbein, Elle mit Speiche sowie der Oberarm.

Unterarmfraktur mit Pseudarthrose - Roe ap
Eine Pseudarthrose im Unterarm

Was sind die Ursachen einer Pseudarthrose?

Die Pseudarthrose kann verschiedene Ursachen haben. Grundsätzlich wird zwischen mechanischen und morbiden Ursachen einer Pseudarthrose unterschieden. Mechanisch bedeutet, dass es durch Bewegung und Druckbelastung zu einer Störung der Knochenbruchheilung gekommen ist. Bei morbiden Ursachen handelt es sich um krankhafte Zustände außerhalb des Knochens, am häufigsten Stoffwechselstörungen oder Krankheitserreger.

Was sind „mechanische“ Ursachen?

Zu den mechanischen Ursachen gehört grundsätzlich alles, was mit Bewegung zu tun hat, am häufigsten die zu frühe Belastung und damit nicht ausreichend lange Ruhigstellung. Dies ist insbesondere bei konservativ behandelten Frakturen wichtig. Konservativ bedeutet, dass die Knochenenden nicht durch eine Operation mittels Metall (Drähte, Schrauben, Platten) aneinander fixiert werden, sondern die natürliche Knochenbruchheilung angestrebt wird. Die operative Versorgung wird auch Osteosynthese bezeichnet, „osteo“ steht für Knochen und „Synthese“ für Vereinigung.

Voraussetzung für eine konservative Knochenbruchbehandlung ist, dass die Knochenenden nahe aneinander liegen und in sich in der korrekten Stellung befinden. Die Ruhigstellung erfolgt meist mittels Gipsverband (z.B. am Handgelenk) oder körperlicher Schonung (z.B. bei Rippenbrüchen). 

Ein Knochenbruch heilt normalerweise innerhalb von 6 Wochen aus. Wenn das Knochengewebe noch nicht verheilt ist, kann eine zu frühe Bewegung und Belastung letztlich mehr schaden als nutzen und im schlimmsten Fall zu einer Pseudoarthrose führen.

Andere mechanische Ursachen können sein:

  • die Verschiebung von Weichteilen in die Bruchregion, was bei Einblutungen oder größeren Blutergüssen passieren kann. Letztere sind meist auf eine 
  • zu geringe Wundkompression zurückzuführen 
  • die Verschiebung der Bruchstellen gegeneinander, wenn Druck oder auch Schläge von außen erfolgen. Dies kann auch bei Stürzen zu entsprechenden Komplikationen führen

Was versteht man unter „morbiden“ Ursachen?

Morbide Ursachen müssen ebenfalls ins Kalkül gezogen werden, sind aber deutlich seltener. Dieser Kategorie zuzuordnen sind:

  • gestörter Calciumstoffwechsel
  • Infektionen
  • Rauchen
  • starkes Über- oder Untergewicht
  • Verengungen der Schlagadern mit resultierenden Durchblutungsstörungen
  • Diabetes mellitus

Zu den morbiden Ursachen gehören auch angeborene Stoffwechselerkrankungen des Knochens, die aber eher selten der Grund sind.

Gibt es unterschiedliche Arten von Pseudarthrosen?

Eine Pseudarthrose kann anhand der Knochenstruktur sowie der Durchblutungssituation in verschiedene Kategorien eingeteilt werden:

  • nach der Struktur des Knochens in die
    • hypertrophe Pseudarthrose, bei der es zu einer Vermehrung von Knochensubstanz kommt. Dieser Knochen ist allerdings in seiner Stabilität reduziert und daher nicht fähig, die Knochenenden zu fixieren.
    • atrophe Pseudarthrose, bei der eine Verminderung von Knochen- und Knorpelgewebe vorliegt. Hier liegt das Problem einer mangelhaften Stabilität auf der Hand.
  • nach der Durchblutung des Knochengewebes in die
    • vitale Pseudarthrose, bei der eine ausreichende Durchblutung vorliegt sowie die 
    • avitale Pseudarthrose mit mangelhaft durchblutetem Gewebe. 

Häufig kommt es zu einer Kombination von hypertroph & vital auf der einen Seite sowie atroph & avital auf der anderen Seite. Die schlechtesten Heilungschancen hat die atrophe avitale Pseudarthrose, aber auch die hypertrophe vitale Pseudarthrose weist einen vielfach langwierigen und komplexen Heilungsprozess auf und muss nicht selten operativ revidiert werden, um die korrekte Heilung in achsgerechter Stellung (also ohne Schiefstellung) zu gewährleisten. 

Wie wird eine Pseudarthrose erkannt?

Es gibt verschiedene Merkmale, die auf eine Pseudarthrose hindeuten. Zum Beispiel kann ein sehr langsam verheilender Knochenbruch ein erstes Anzeichen sein. Anhaltende oder gar zunehmende Schmerzen - länger als 4 bis 6 Monate anhaltend - sind verdächtig für eine Pseudarthrose. Typische Beschwerden können sein:

  • Schmerzen im Bereich der betreffenden Knochen oder Gelenke
  • Schwellung
  • Rötung
  • Bewegungseinschränkungen
  • Hypermobilität - das Gegenteil der fehlenden Beweglichkeit
  • Instabilität der Gelenke

Wenn Sie diese Symptome bei sich beobachten können, sollten Sie unbedingt eine medizinische Kontrolluntersuchung durchführen und die Beschwerden abklären lassen. Bildgebende Verfahren, vornehmlich eine Röntgenuntersuchung, können die Pseudarthrose sichtbar machen und eine präzisere Diagnose ermöglichen. Auf dem Röntgenbild zeigt sich ein bleibender Knochenspalt an der Stelle des vorangegangenen, nicht richtig verheilten Bruches. Noch genauer kann die Pseudarthrose in der Computertomographie oder Magnetresonanztomographie beurteilt werden. 

Wie wird eine Pseudarthrose behandelt?

Die Therapie hängt davon ab, welche Form der Pseudarthrose vorliegt. Die Behandlungsmethoden müssen an die jeweilige Ursache angepasst werden. Bei der vitalen Form kann eine etwas leichtere Therapie in Angriff genommen werden, die Chancen auf Heilung sind hier sehr gut. Oft genügt eine konsequente Fortsetzung der Ruhigstellung

Anders verhält es sich bei den avitalen Pseudarthrosen, bei denen meist operative chirurgische Eingriffe notwendig sind. Mithilfe sogenannter osteosynthetischer Maßnahmen (Knochenverbindungen durch Metallplatten oder -schrauben) kann vielfach ein guter Behandlungserfolg erzielt werden.

Meistens müssen hierbei die Knochenenden „angefrischt“ werden. Dies bedeutet, dass abgestorbenes avitales und infiziertes Knochengewebe entfernt wird. Teilweise entsteht hierbei dann aber ein Defekt in der Knochenstruktur, so dass eine Auffüllung mittels Knochenspende notwendig wird. Dies kann durch eine eigens hierfür angelegte Zellkultur des Patienten erfolgen oder es wird Knochengewebe an einer anderen Stelle entfernt. Geeignete Entnahmestelle ist der Beckenkamm.

Ein Ringfixateur ist eine Variante, die zur Stabilisierung des Knochens eingesetzt wird. Bei einem Ringfixateur handelt es sich um eine Art äußeres Haltesystem, welches problemlos wieder entfernt werden kann.

Ebenfalls wichtig: Aktuell wird auch viel über einen Bluttest diskutiert, der die Anfälligkeit für eine Pseudoarthrose voraussagen soll. Wenn dies gelänge, dann kann man direkt bei der Erstfraktur entsprechende Maßnahmen ergreifen. Zudem können auch Gewebeproben des Knochenabschnitts, der von Pseudarthrose betroffen ist, in einem Labor untersucht werden. So können das Risiko einer Pseudarthrose und die Heilungschancen eines Knochenbruchs besser überblickt werden.

Zusammenfassend gibt es folgende Therapiemaßnahmen bei einer Pseudarthrose:

  • knochenverbindende, osteosynthetische Methoden (zum Beispiel Ringfixateur)
  • Einbringen von Knochensubstanz in den Bruchspalt
  • Entfernen von abgestorbenem und infiziertem Gewebe
  • Gabe von bestimmten Nahrungsergänzungen
  • evtl. bald möglich: Bluttest zur Bestimmung der Anfälligkeit für Pseudoarthrose.

Wer behandelt eine Pseudarthrose?

Bei einer Pseudarthrose können mehrere Fachärzte hinzugezogen werden. Zum Beispiel können Mediziner aus der Knochenchirurgie ebenso zum Einsatz kommen wie Spezialisten aus der Orthopädie. Der behandelnde Arzt wird den Patienten an den richtigen Experten überweisen.

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