Hüftdysplasie: Informationen & Hüftdysplasie-Spezialisten

21.01.2022
Dr. med. Matthias Pothmann
Autor des Fachartikels

Bei der Hüftdysplasie handelt es sich um die häufigste angeborene Skelettentwicklungsstörung des Menschen. In Deutschland kommen jedes Jahr etwa 2 bis 5 Prozent der Babys mit einer angeborenen Hüftdysplasie zur Welt. Die Auswirkungen dieser Erkrankung können das gesamte Leben betroffener Kinder und ihrer Eltern erheblich beeinflussen. Hier finden Sie weiterführende Informationen sowie ausgewählte Hüftdysplasie-Spezialisten und Zentren.

ICD-Codes für diese Krankheit: Q65

Empfohlene Hüftdysplasie-Spezialisten

Kurzübersicht:

  • Was ist Hüftdysplasie? Eine der häufigsten angeborenen Skelettentwicklungsstörungen, bei der die Hüftgelenkpfanne den Hüftgelenkkopf nicht genügend umschließt, was zu verschiedenen Beschwerden führen kann.
  • Ursachen: Mädchen sind deutlich häufiger betroffen. Genetische Veranlagung, Komplikationen während der Schwangerschaft oder eine Mehrlingsschwangerschaft oder neurologische Erkrankungen verursachen die Erkrankung meistens.
  • Behandlung: Je früher die Erkrankung erkannt wird und je weniger sie ausgeprägt ist, desto eher können konservative Maßnahmen wie eine Gelenkreposition, Retention und Orthesen Erfolg haben. In seltenen Fällen muss operiert werden.
  • Operation im Kindesalter: Eine Pfannendachplastik/Acetabuloplastik zwischen dem 18. Monat und 8. Lebensjahr versetzt einen kleinen Knochenteil so, dass die Hüftpfanne das Gelenk besser überdacht und halten kann.
  • Operation im Erwachsenenalter: Die sehr komplexe 3-fach-Beckenosteotomie fixiert die Hüfte nach einer Knochenreposition mit Schrauben und erzielt sehr gute langfristige Ergebnisse, durch die die Beschwerden deutlich abnehmen.
  • Vorbeugung: Der Erkrankung lässt sich nicht vorbeugen, doch eine frühe Behandlung verbessert die Chancen auf einen Behandlungserfolg. Daher sollten die U2- und U3-Untersuchungen unbedingt durchgeführt werden.

Artikelübersicht

Hintergrundinformationen zur Hüftdysplasie

Die Hüftdysplasie ist eine Fehlbildung der Hüftgelenkpfanne, in der der Kopf des Oberschenkels liegt. Mädchen sind häufiger als Jungen von dieser Fehlbildung betroffen. Wird die Hüftdysplasie nicht erkannt, drohen Abnutzungserscheinungen (Arthrose) im Gelenk. Diese können zu Schmerzen und einer schweren Gehbehinderung führen können.

Eine Hüftdysplasie kann mit Hilfe einer ungefährlichen Ultraschalluntersuchung bereits in den ersten Lebenstagen sicher nachgewiesen werden. Neugeborene werden von Orthopäden und Kinderärzten untersucht, um frühestmöglich mit einer eventuell erforderlichen Schienenbehandlung beginnen zu können.

Diese Ultraschalluntersuchung des Hüftgelenks hat sich so bewährt, dass sie in die gesetzliche Vorsorgeuntersuchung U 3 (4.–6. Lebenswoche nach der Geburt) aufgenommen worden ist.

Bei einer frühzeitig erkannten Hüftdysplasie bestehen sehr große Heilungschancen. Durch eine gezielte und konsequente Behandlung können sich meist gesunde Hüftgelenke ausbilden. So werden

  • später eventuell notwendige Operationen,
  • ein schwerwiegendes Hüfthinken oder
  • frühzeitiger Hüftverschleiß

vermieden.

Was bedeutet Hüftdysplasie?

Eine Hüftdysplasie kann angeboren oder manchmal auch im Laufe des Lebens erworben werden. Häufig ist die Hüftgelenkspfanne zu klein und zu steil angelegt. Der Hüftgelenkskopf ist dann vor allem seitlich und vorne von der Pfanne nicht genug überdacht.

Die Folge dieser Fehlentwicklung kann eine Hüftverrenkung (Hüftluxation) sein. Dabei wandert der Hüftkopf seitlich nach oben/hinten aus der zu kleinen Hüftgelenkspfanne heraus. Der Anteil der Hüftgelenksluxationen ist jedoch glücklicherweise deutlich geringer (nur jedes ca. 15. Kind mit Hüftdysplasie hat eine Hüftgelenksluxation).

Aufbau des Beckens
Aufbau des menschlichen Beckens. Das Sitzbein verläuft unterhalb des Schambeins © Henrie | AdobeStock

Ursachen der Hüftdysplasie

Die Hüftdysplasie tritt bei Mädchen etwa 5- bis 7-mal häufiger auf als bei Jungen und kommt in manchen Familien gehäuft vor. Oft sind mehrere Geschwister betroffen.

Weitere mögliche Ursachen der Hüftdysplasie:

  • mechanische Faktoren wie eine Mehrlingsschwangerschaft oder
  • eine zu geringe Menge an Fruchtwasser während der Schwangerschaft, was zu einer relativen Enge für das Ungeborene führt.

Auch begleitende zahlreiche neurologische Erkrankungen, wie z.B.

  • offener Rückenmarkskanal (Spina bifida) oder
  • als Folge eines frühkindlichen Hirnschadens (Cerebralparese) oder
  • auch seltene genetische Erkrankungen

können zur Hüftgelenksdysplasie führen.

Wie wird die Hüftdysplasie konservativ behandelt?

Entscheidend für die erfolgreiche konservative (nicht-operative) Therapie der Hüftdysplasie ist

  • der Grad der Fehlbildung und
  • der frühzeitige Beginn einer Behandlung.

Je schwerer die Dysplasie oder je später sie im Leben eines Menschen diagnostiziert wurde, desto eher wird der Arzt auf operative Methoden zurückgreifen (müssen).

Die konservative Behandlung bei schwerwiegender Dysplasie und Luxationen stützt sich auf drei wesentliche Säulen:

  • die Reposition (Einstellung des Gelenkes in die Hüftpfanne),
  • die Retention (Sicherstellung, dass der Hüftkopf in der Hüftpfanne bleibt) durch Gips oder Schinen/Bandagen und
  • die Ausreifungsbehandlung, d.h. konsequente Orthesenweiterbehandlung unter Ultraschallkontrollen. So kann sich das Gelenk richtig nachentwickeln.

Bei sehr milder Dysplasie und bei Neugeborenen genügt es meist, das Kind etwas breiter zu wickeln und es seinem natürlichen Bewegungsdrang zu überlassen.

Meistens haben die Kinder in ihrer weiteren Entwicklung dann keine Probleme mehr und die Hüften reifen gut nach. Diese Nachreifung der Hüftpfannen wird vom Arzt auch per Ultraschall überwacht.

Gibt es besondere Vorbeugemaßnahmen?

Vorbeugen kann man einer Hüftdysplasie nicht! Auch während der Schwangerschaft gibt es keine Mittel und Wege, dies zu verhindern.

Um allerdings Spätfolgen zu vermeiden, sollte eine Hüftdysplasie möglichst frühzeitig diagnostiziert werden, was aufgrund der U2- und U3-Untersuchungen beim Kinderarzt oder Orthopäden seit 1996 in Deutschland durch eine Ultraschalluntersuchung sichergestellt wird.

Die operative Behandlung der Hüftdysplasie im Kindesalter

Trotz intensiver und langfristiger konservativer Behandlung kann eine Rest-Hüftdysplasie bestehen bleiben.

Die Erfolgsaussichten einer konservativen Behandlung verschlechtern sich mit zunehmendem Lebensalter. Eine schwerwiegende Rest-Hüftdysplasie lässt sich durch eine konservative Behandlung ab Ende des 2. Lebensjahres nicht mehrausreichend verbessern.

Eine intensive spezielle Physiotherapie nach Vojta ist begleitend im ersten Lebensjahr noch sehr effektiv. Im zweiten Lebensjahr verliert sie jedoch bereits an Effektivität.

Hüftdysplasie-Behandlung eines Neugeborenen mit Schienen
Hüftdysplasie-Behandlung eines Neugeborenen mithilfe von Bändern und Schienen © Marko | AdobeStock

Die Pfannendachplastik/Acetabuloplastik ist ein bewährtes Operationsverfahren zur Behandlung solcher Rest-Hüftdysplasien. Der überwiegende Anteil der Acetabuloplastiken wird zwischen dem 18. Monat und 8. Lebensjahr durchgeführt. Hierzu wird ein kleiner Knochenkeil, nachdem das Darmbein oberhalb der Hüftpfanne zum Teil durchtrennt wurde, seitlich heruntergeschwenkt, um den Hüftkopf dann besser zu überdachen. In den entstandenen Spalt wird der zurechgesägte Knochenkeil eingesetzt.

Es erfolgt eine Nachbehandlung der Kinder für einige Wochen im Gips. Manchmal sind die Hüftgelenke nahezu oder komplett ausgekugelt (luxiert). In diesen Fällen kommt nach erfolgloser konservativer Therapie eine operative, offene Hüftgelenkeinrenkung infrage.

Diese Therapie ist eine Kombination aus einer Oberschenkelverkürzung und einer Acetabuloplastik. Sie sollte in Kliniken erfolgen, die damit große und langjährige Erfahrung haben.

Die operative Behandlung der Hüftdysplasie im Erwachsenenalter

Die Hüftdysplasie ist die häufigste Ursache für einen frühzeitigen schmerzhaften Hüftverschleiß. Das macht sie zugleich zur Hauptursache für die Notwendigkeit eines künstlichen Hüftgelenkes.

Viele Hüftdysplasie-Patienten im Alter zwischen 20 und 40 Jahren haben z.T. unerträgliche Schmerzen in den Hüften. Häufig sind sie deswegen langfristig arbeitsunfähig. Etwa 200.000 künstliche Hüftgelenke werden mittlerweile in Deutschland jährlich implantiert.

Nach Wachstumsabschluss gibt es die Möglichkeit der gelenkerhaltenden Korrektur einer schweren Hüftdysplasie. Der Eingriff ist als 3-fach-Beckenosteotomie (Tripleosteotomie) bekannt. Er wurde in den Städtischen Klinken Dortmund Mitte der 70er Jahre von Prof. Dr. Tönnis und K. Kalchschmidt entwickelt.

Bei dieser OP handelt es sich um eine der größten und komplexesten Beckenoperationen in der Orthopädie. Sie wird daher nur in wenigen Kliniken in Deutschland häufiger und spezialisiert durchgeführt.

Zur Korrektur der zu steilen Hüftgelenkspfanne mittels 3-fach Beckenosteotomie sind drei Operationszugänge notwendig. Über diese werden

  • das Sitzbein,
  • das Darmbein und
  • das Schambein

durchtrennt. Diese drei Knochen bilden die Hüftgelenkspfanne. Mit Schrauben werden die Knochen in der der erforderlichen korrigierten Stellung fixiert.

Die Operationszeit beträgt etwa im Mittel zwei ½ bis drei Stunden.

schwere hueftdysplasie rechts
Abb. 1: Schwere Hüftdysplasie rechts. Orthopädie EK-Unna; freundlicherweise zur Verfügung gestellt von Dr. med. Pothmann.

beckenosteotomie bei hueftdysplasie
Abb. 2: Hüftdysplasie nach 3-facher Beckenosteotomie © Orthopädie EK-Unna; freundlicherweise zur Verfügung gestellt von Dr. med. Pothmann.

Die Patienten können das Krankenhaus nach etwa 12 bis 14 Tagen verlassen. Voraussetzung dafür ist aber, dass sie das operierte Bein sicher an zwei Unterarmgehstützen entlasten können.

Durch diese Operation kann der Belastungs- und insbesondere Leistenschmerz vollkommen behoben werden. Die meisten Patienten können danach wieder aktiv und schmerzfrei ohne Einschränkungen am Leben teilnehmen.

Es gibt Langzeitergebnisse über 20 Jahre nach dieser Operation (durch Axel Küpper et al., Unna/Dortmund), die der PAO überlegen ist. Bei der POA (periacetabulären Osteotomie) wird die Hüftpfanne aus dem Beckenverbund herausgemeißelt und dann geschwenkt.

Trotzdem wird die PAO weltweit häufiger durchgeführt, da sie technisch weniger kompliziert ist. Leider sind die Langzeitergebnisse schlechter als bei der Tripleosteotomie.

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