Vesikorenaler Reflux: Spezialisten und Informationen

09.06.2023
Dr. med. Robert Hefty
Medizinischer Fachautor

Ein vesikourenaler Reflux (VRR) bezeichnet das krankhafte Rückstauen von Urin im Harnleiter bis zur Niere. Der erhöhte Druck in der Niere kann sie nachhaltig schädigen. Der Harnreflux kann bereits angeboren sein.

Hier finden Sie weiterführende Informationen sowie ausgewählte Spezialisten und Zentren für einen vesikorenalen Reflux.

ICD-Codes für diese Krankheit: N13.7, Q62.7

Empfohlene Spezialisten für einen vesikorenalen Reflux

Artikelübersicht

Was ist der vesikorenale Reflux?

Der vesikorenale Reflux (VRR) wird in der Medizin auch als vesikoureteraler Reflux (VUR) bezeichnet. Gemeint ist damit der Rückfluss von Harn aus der Blase in den Harnleiter. Der Urinrückfluss kann bis in das Nierenbecken führen.

Der Harn kann an diesen Stellen über einen längeren Zeitraum einen zu großen Druck ausüben. Dann besteht das Risiko von Beeinträchtigungen der Niere. Außerdem kann es durch das Eindringen von Bakterien zu einer schmerzhaften Nierenentzündung kommen. Dadurch können Vernarbungen im Nierengewebe entstehen.

Welche Formen des vesikorenalen Reflux gibt es?

Ärzte unterscheiden beim vesikorenalen Reflux zwischen der primären und der sekundären Form. Während die primäre Form bereits angeboren ist, wird die sekundäre Form im Laufe des Lebens erworben.

Des Weiteren unterscheidet man zwischen einem Niederdruck-VRR und einem einem Hochdruck-VRR:

  • Niederdruck-VRR: Der Rückfluss des Urins setzt bereits während der Füllungsphase der Blase ein.
  • Hochdruck-VRR: Reflux in der Entleerungsphase der Harnblase.

Ein vesikorenaler Reflux hat unterschiedliche Erkrankungsausprägungen. Ein wichtiges Kriterium dafür ist, wie stark sich die anatomischen Strukturen durch den Druck des Harns verändern. Eine typische druckbedingte Veränderung ist die Erweiterung (fachsprachlich: Dilatation)

  • des Harnleiters,
  • des Nierenbeckens und
  • der Nierenkelche. 

Seit 1985 wird der vesikorenale Reflux in fünf unterschiedliche Schweregrade (nach Parkkulainen/Heikel) eingeteilt:

  • Grad I: Reflux in den Harnleiter, jedoch nicht bis in das Nierenbecken.
  • Grad II: Reflux bis in das Nierenbecken ohne Dilatation (= ohne Veränderung der Nierenkelche).
  • Grad III: Reflux bis in das Nierenbecken mit leichter Dilatation (Erweiterung) des Hohlsystems und leichtgradiger Verplumpung der Nierenkelche.
  • Grad IV: Reflux mit Dilatation des Hohlsystems mit leichtem Ureterkinking und Verplumpung der Kelche mit noch sichtbaren Papillen.
  • Grad V: Reflux mit starker Dilatation des Hohlsystems und Ureterkinking sowie verplumpten Nierenkelchen mit größtenteils nicht mehr sichtbaren Papillen.

Ursachen des vesikorenalen Reflux

Normalerweise fließt der Urin aus der Niere über die beiden Harnleiter (Ureter) zur Harnblase ab. Das Ende des Harnleiters an der Harnblase dient als Ventil, das dafür sorgt, dass der Harn nicht wieder zu den Nieren zurückfließt.

Eine Störung dieser Funktion ist jedoch mitunter bereits angeboren. Grund dafür sind Fehlanlagen der Harnleitermündung in der Wand der Harnblase. Meistens ist dann der intramurale Harnleiterverlauf zu kurz. Bei einem Druckanstieg in der Harnblase kann der obere Harntrakt deswegen nicht richtig abgedichtet werden.

Ein sekundärer vesikorenaler Reflux entsteht durch direkte Beeinträchtigungen der Uretermündung. Als Auslöser kommen Harnblasenentzündungen oder neurogene Funktionsstörungen der Blase infrage.

In manchen Fällen ist auch eine Überdehnung der Blasenwand für die Entstehung eines vesikorenalen Reflux verantwortlich.

Vesikorenaler Reflux
Beim vesikorenalen Reflux staut sich Urin bis zur Niere zurück und schädigt sie © rumruay | AdobeStock

Welche Symptome treten beim vesikorenalen Reflux auf?

Babys und Kleinkinder leiden bei einem vesikorenalen Reflux in der Regel unter:

  • schlechtem Gedeihen
  • Blässe
  • Untergewicht
  • wiederholtem Einnässen
  • Bauchschmerzen
  • Durchfall
  • Erbrechen

Bei größeren Kindern sowie erwachsenen Patienten zeigen sich:

  • ständiger Harndrang
  • Brennen beim Wasserlassen
  • Schmerzen im Bereich der Nieren
  • ein übler Geruch des Urins
  • Schmerzen in der Flanke während des Wasserlassens oder bei einer gefüllten Harnblase

Der Rückstau des Urins erhöht das Risiko von Harnwegsinfektionen. Dabei können schädliche Keime bis in das Nierenbecken gelangen. Die dadurch verursachten Nierenentzündungen können zu Vernarbungen im Nierengewebe führen. Diese Erkrankung wird Refluxnephropathie genannt.

Im weiteren Verlauf des vesikorenalen Reflux leiden die Patienten unter Folgeerscheinungen wie

Schon im Kindesalter kann eine Inkontinenz drohen. In den meistens weniger schwerwiegenden Fällen heilt der vesikorenale Reflux bei Kindern allerdings oft spontan ab.

Diagnose des vesikorenalen Reflux

Bei Verdacht auf einen vesikorenalen Reflux sollte die Untersuchung durch einen Facharzt der Urologie oder Kinderurologie erfolgen. Erster Schritt der Untersuchung ist das Erfassen der Krankengeschichte (Anamnese) des Patienten.

Der Arzt erkundigt sich dabei nach den Beschwerden sowie eventuellen Vorerkrankungen.

Allgemeine urologische Untersuchung

Weitere Hinweise können

  • eine körperliche Untersuchung,
  • eine Untersuchung des Urins sowie
  • eine Blutuntersuchung

liefern. Auf diese Weise lassen sich mögliche Schäden erkennen.

Sonographie: Ultraschalluntersuchung bei VRR

Ein weiteres Mittel der Diagnostik stellt die Sonographie (Ultraschalluntersuchung) dar. Der Urologe kann durch diese Methode feststellen, ob Harnleiter oder Nierenbecken erweitert sind.

MCU: Miktionszysto-Urethrogramm

Zur Beurteilung des Schweregrads des vesikorenalen Rexlux dient ein Miktionszysto-Urethrogramm. Bei dieser Untersuchung wird über einen dünnen Katheter Kontrastmittel in die Harnblase gefüllt.

Unter Röntgendurchleuchtung (ggf. auch durch sonographische Darstellung) kann bei bestehendem Reflux ein Rückfluss des Kontrastmittels während des Auffüllens bzw. beim Wasserlassen in den Harnleiter oder das Nierenbecken dargestellt werden.

Zudem sind

  • Blasengröße,
  • Form und
  • Veränderungen an der Harnröhre

beurteilbar.

Harnblasenspiegelung (Zystoskopie)

Im Anschluss an ein MCU kann der Arzt in manchen Fällen eine Harnblasenspiegelung vornehmen. Auf diese Weise lassen sich Form, Umfang und Lage der Harnleitermündungen bestimmen.

Gleichzeitig kann der Reflux im selben Eingriff behandelt werden (Refluxunterspritzung).

DMSA-Szintigraphie

Als sinnvoll gilt in manchen Fällen auch eine Nierenszintigraphie. Sie zählt zu den nuklearmedizinischen Untersuchungsverfahren. Mit dieser Untersuchung werden Narben am Nierengewebe nach früheren Entzündungen erkannt.

Wie wird ein vesikorenaler Reflux behandelt?

Auf welche Weise die Therapie eines VRR erfolgt, hängt vom jeweiligen Schweregrad der Erkrankung ab.

Therapie mit Medikamenten (Antibiotika)

Handelt es sich lediglich um eine leichte Form, reicht die Gabe von antibiotischen Medikamenten aus.

Dadurch können die Harnwegsinfektionen wirksam bekämpft und neue Infekte verhindert werden. Es besteht eine hohe Chance, dass der Reflux mit zunehmendem Alter sozusagen verschwindet.

Endoskopische Unterspritzung der Harnleitermündungsstelle

Eine endoskopische Unterspritzung bewirkt, dass

  • das Harnleiterende angehoben,
  • die Harnleitermündungsstelle eingeengt und
  • der Reflux idealerweise beseitigt wird.

Dabei wird Dextranomere/Hyaluronsäure (Deflux) über eine Blasenspiegelung unter die Mündungsstelle des Harnleiters in die Blase gebracht. Die Unterspritzung findet in Narkose statt.

Je niedriggradiger der Reflux, desto höher ist die Chance auf langfristigen Erfolg.

Chirurgische Therapie

Die offen chirurgische Therapie ist mit ca. 95 Prozent die erfolgreichste Therapie zur Behandlung des Refluxes. Diese kommt vor allem bei höhergradigem Reflux oder auch bei Versagen der Unterspritzungsmethode zum Einsatz.

Die am häufigsten verwendete Technik ist die Antirefluxplastik nach Lich-Gregoir. Sie verlängert durch Bildung eines muskulären Tunnels den Harnleiterverlauf durch die Blasenwand. Die Blase muss dabei nicht geöffnet werden – die Operation wird von einem kleinen Schnitt im Unterbauch aus durchgeführt.

Eine Operation sollte prinzipiell durchgeführt werden, wenn

  • trotz antibiotischer Therapie wiederkehrende Nierenbeckenentzündungen oder fieberhafte Blasenentzündungen auftreten („Durchbruchsinfektionen"),
  • Narben am Nierengewebe zunehmen,
  • hohe Refluxgrade (IV-V) ohne Aussicht auf spontanes Verschwinden vorhanden sind,
  • die Eltern eine jahrelange Medikamenteneinnahme ablehnen oder
  • die medikamentöse Therapie nicht zuverlässig durchgeführt wird.

Wichtig ist, sowohl nach endoskopischer Unterspritzung als auch nach offener Refluxkorrektur, eine jährliche Ultraschalluntersuchung der Niere. Damit lässt sich das Nierenwachstum bis in die Pubertät verfolgen und eine erneute Harntransportstörung auszuschließen.

Unmittelbar nach den Eingriffen sollten die Kontrollen (Urinkontrolle, Ultraschall, Blutdruck-Kontrollen) engmaschiger erfolgen.

Prognose, Vorbeugung und Verlauf

Ist der vesikorenale Reflux bereits angeboren, gibt es keinerlei Möglichkeiten zur Vorbeugung. Bei der sekundären Form empfehlen Urologen eine Entleerung der Harnblase in zwei Abschnitten. Das bedeutet, dass nach der ersten Entleerung einige Minuten Pause bis zur nächsten Entleerung vergehen.

Selbst ohne Behandlung heilt ein vesikorenaler Reflux oftmals wieder ab. In manchen Fällen sind jedoch schwere Komplikationen möglich, sodass es ratsam ist, sich grundsätzlich an einen Arzt zu wenden.

Quellen

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