Bulimie - Medizinische Experten

30.11.2023
Mag. Susanne Schmieder
Medizinische Fachautorin

Schönheit, Anerkennung und Aufmerksamkeit sind zutiefst menschliche Bedürfnisse und nicht erst Phänomene der heutigen Zeit. Allerdings bieten die neuen Medien (Social Media, Instagram und Co.) den idealen Nährboden für Essstörungen wie Bulimie. Bulimie ist eine ernstzunehmende psychische Erkrankung, die gefährliche Langzeitschäden verursachen kann.

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ICD-Codes für diese Krankheit: F50.2

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Artikelübersicht

Schönheit, Anerkennung und Aufmerksamkeit sind zutiefst menschliche Bedürfnisse und nicht erst Phänomene der heutigen Zeit. Allerdings bieten die neuen Medien (Social Media, Instagram und Co.) den idealen Nährboden für Essstörungen wie Bulimie oder Magersucht.

In einer Pressemitteilung berichtet der Bundesfachverband Essstörung e. V. von einer interessanten Studie: Zwei Drittel der befragten Patientinnen gaben an, dass Formate wie „Germany‘s Next Topmodel“ die Krankheitsentwicklung beeinflusst haben.

Bulimie ist eine ernstzunehmende psychische Erkrankung, die einen akuten Kreislaufkollaps und gefährliche Langzeitschäden verursachen kann. Aus diesem Grund ist es wichtig, die Krankheit frühzeitig zu erkennen und eine Therapie einzuleiten.

Bulimie - das Krankheitsbild

Bulimie ist eine psychische Erkrankung und zählt zur Gruppe der Essstörungen. Umgangssprachlich ist sie unter dem Begriff Ess-Brech-Sucht bekannt. Im Diagnosekatalog ICD-10 der Weltgesundheitsorganisation (WHO) wird die Bulimie unter der Ziffer F50.2 codiert. 

Die Krankheit trifft vornehmlich Frauen. Schätzungen gehen von 90–95 Prozent aus. Vor allem Mädchen in den Teenagerjahren und junge Frauen (Risikogruppe: 15 bis 35 Jahre) tendieren zu dieser Erkrankung. Bulimie geht häufig mit einer gesteigerten Leistungsorientierung und Selbstzweifeln einher. Betroffene stehen dadurch vermehrt unter Druck.

In einigen Fällen folgt auf eine überstandene Magersucht eine Bulimie. Oder Anorexie-Patienten leiden immer wieder unter bulimischen Phasen, weil sie ihr strenges Diät-Programm nicht durchhalten.

Symptome einer Bulimie

Während Patienten mit Magersucht freiwillig auf Nahrung verzichten, führt Bulimie zu Heißhungerattacken. Die Betroffenen nehmen während eines Essanfalls besonders fette und zuckerhaltige Nahrungsmittel zu sich. Dabei erreichen sie Mengen von bis zu 10.000 Kalorien.

Um nicht zuzunehmen, nutzen die Patienten verschiedene Strategien:

  • Absichtliches Erbrechen
  • Einnahme von Abführmitteln oder Appetitzüglern
  • Fasten
  • Exzessives Training

Zwischen den Essanfällen reduzieren die Betroffenen ihre Nahrungsaufnahme, weshalb sie zu Gewichtsschwankungen neigen. Im Gegensatz zur Magersucht sind Patienten mit Bulimia nervosa häufig normalgewichtig.

Während der Ess-Attacken erleben die Betroffenen einen Kontrollverlust. Wenn sie sich erbrechen, fühlen sie sich kurzfristig erleichtert. Grundsätzlich schämen sich Bulimie-Patienten für ihr Ess-Verhalten und leiden unter Schuldgefühlen. Der Selbstwert sinkt. Es ist ein Teufelskreis.

Zu den psychischen Symptomen einer Bulimie zählen:

  • Gefühlsausbrüche aggressiver oder verzweifelter Art
  • Abschottung
  • Depressionen
  • Langeweile (innere Leere)
  • Große innere Anspannung

Patienten mit Bulimie haben meist ein fortwährendes Gefühl von Scham oder Schuld. Dadurch entsteht ein gestörtes, negatives Verhältnis zur eigenen Person.

BulimieTypisch bei Bulimie sind Heißhunger und anschließendes Erbrechen @ Monkey Business /AdobeStock

Warnsignale

Bulimie fällt nicht sofort ins Auge, weil Patienten mit Ess-Brech-Sucht überwiegend normalgewichtig sind. Trotzdem gibt es typische Merkmale, die auf eine beginnende Bulimia nervosa hindeuten:

  • Vermehrtes Interesse für Ernährung und den Kaloriengehalt von Lebensmitteln
  • Ausschließlich „gesunde“ Nahrung essen
  • Patienten meiden Hauptmahlzeiten
  • Unzufriedenheit mit der Figur und dem eigenen Aussehen
  • Leistungsorientierung
  • Steigerung der körperlichen Aktivität
  • Sozialer Rückzug
  • Menstruationsstörungen

Sollten Sie jemanden kennen, auf den diese Merkmale zutreffen, dann sprechen Sie sie darauf an. Alternativ können Sie auch Ihren Hausarzt ins Vertrauen ziehen.

Wenn Sie nicht wissen, wie Sie das Thema ansprechen sollen, besuchen Sie die Website der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung. Dort finden Sie umfassende Informationen.

Diagnostik

Meist vergeht viel Zeit, bis ein Patient die Diagnose Bulimia nervosa erhält. Der Grund: Obwohl die Betroffenen enorm unter der Krankheit leiden, vermeiden sie es, den Arzt aufzusuchen, weil sie sich schämen.

Eine verlässliche Diagnose kann der Facharzt oder Psychologe stellen. Dafür erhebt er im Vorfeld die detaillierte Krankheitsgeschichte (Anamnese).

Um eine Bulimie zu diagnostizieren, müssen beim Betroffenen im Zeitraum von mindestens drei Monaten zwei Essanfälle pro Woche auftreten. Gleichzeitig greift der Patient zu verschiedenen Maßnahmen, um nicht zuzunehmen.

Die Medizin unterscheidet bei der Bulimie zwischen Purging- und Non-Purging-Typ:

  • Der Purging-Typ greift beispielsweise zu Appetitzüglern, Diuretika oder nutzt regelmäßiges Erbrechen, um die Ess-Exzesse auszugleichen.
  • Der Non-Purging-Typ wendet Fastenkuren, Diäten oder intensives Training an, um das Gewicht zu halten.

Eine Abgrenzung (Differenzialdiagnose) zu anderen Essstörungen ist teilweise schwierig. Manche Patienten mit Anorexie erleben auch Phasen mit Bulimie, etwa wenn sie ihre strikte Nahrungsreduktion nicht durchhalten.

Weitere psychische Störungen (Depression, Angststörungen, Suizidalität) muss der Facharzt ausschließen. Zusätzlich untersucht der Arzt die körperliche Verfassung des Patienten. Dazu ordnet er unter anderem eine umfassende Blutuntersuchung an und überprüft die Herzfunktion mittels EKG.

Der Therapieverlauf lässt sich mit psychologischen Verfahren wie dem „Strukturierten Interview für Anorexia und Bulimia nervosa“ kontrollieren.

Folgen der Bulimie

Die Bulimia nervosa bringt ernste Folgen mit sich:

  • Regelmäßiges Erbrechen verätzt die Schleimhäute im Mund und in der Speiseröhre. Es begünstigt ebenfalls einen Reflux (saurer Mageninhalt fließt zurück in die Speiseröhre). Auch die Zähne werden durch die Magensäure geschädigt.
  • Abführmittel stören die Funktion des Magen-Darm-Traktes und führen unter Umständen zu einem Nährstoffmangel. Vor allem der Verlust von Kalium ist gefährlich. Es provoziert lebensgefährliche Herzrhythmusstörungen. Entwässerungsmedikamente schädigen die Nieren.
  • Zusätzlich zum medizinischen Aspekt rufen die Langzeitfolgen (zum Beispiel gelbe oder tote Zähne) psychische und finanzielle Zusatzbelastungen hervor.

Behandlung der Bulimie

In vielen Fällen ist eine stationäre Therapie in einer psychosomatischen Klinik sinnvoll. Die Therapie der Bulimia nervosa besteht aus verschiedenen Bausteinen (multimodale Behandlung):

  • Im Zentrum stehen psychotherapeutische Einzel- und Gruppengesprächen. Die Patienten werden umfassend über ihr Krankheitsbild aufgeklärt (Psychoedukation)
  • Darüber hinaus geht es darum, die eigenen Ansprüche und Werte kritisch zu hinterfragen und ein positives Selbstbild aufzubauen. Die Betroffenen lernen, ihre Bedürfnisse und Gefühle wahrzunehmen und angemessen damit umzugehen. 
  • Dabei spielen die Bereiche Ernährung und Bewegung eine wichtige Rolle. So finden beispielsweise Kochgruppen mit gemeinsamem Essen statt. Die Teilnehmer unterstützen sich gegenseitig, um nicht wieder in alte Muster zu fallen. Fachpersonal begleitet und unterstützt die Gruppe während dieser Phase.
  • In Sportgruppen führen Physiotherapeuten die Patienten wieder zu einem maßvollen und gesunden körperlichen Training heran.
  • Manchen Patienten hilft der Besuch bei einer Selbsthilfegruppe. Dort können sich die Teilnehmer austauschen und unterstützen. Achten Sie bei der Auswahl der Gruppe darauf, wer sie leitet. In Frage kommen Fachkräfte oder ehemals betroffene Personen, die stabil sind. Ansonsten besteht die Gefahr, dass die Gruppe die Krankheit verstärkt, anstatt sie zu bekämpfen.

Der Behandlungserfolg hängt einerseits vom Schweregrad der Bulimie und andererseits vom Ausmaß möglicher Nebenerkrankungen ab. Bulimie-Betroffene leiden meist auch unter Panikstörungen, sozialen Phobien, Depressionen oder Suchterkrankungen.

Eine wichtige Rolle, ob der Patient gesund wird, ist die Krankheitseinsicht. Betroffene müssen das Problem erkennen und den Teufelskreis durchbrechen wollen

In Einzelfällen kommen auch Antidepressiva zum Einsatz. Diese beeinflussen nicht nur die Stimmung, sondern lindern die Ess-Brech-Anfälle. Langfristig gelingt es Betroffenen, ein normales Leben zu führen.

Da Essstörungen nicht klar voneinander abzugrenzen sind, helfen Ihnen auch die Informationen zu den Themen Magersucht und Essstörungen weiter.

Quellen

 

  • Simchen, H. (2016): Essstörungen und Persönlichkeit: Magersucht, Bulimie und Übergewicht - Warum Essen und Hungern zur Sucht werden. Kohlhammer-Verlag.
  • Salbach-Andrae et al. (2010): Anorexia und Bulimia nervosa im Jugendalter: Kognitiv-verhaltenstherapeutisches Behandlungsmanual. BELTZ-Verlag.
  • Schmidt et al. (2016) : Die Bulimie besiegen: Ein Selbsthilfe-Programm. BELTZ-Verlag.
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