Angststörung: Infos & Therapeuten für Angststörungen

14.07.2022
Dr. Gitta Jacob
Autor des Fachartikels
Prof. Dr. med. Paul L. Janssen
Autor des Fachartikels

Angststörungen gehören zu den häufigsten psychischen Störungen. Rund 15 Prozent aller Menschen leiden irgendwann im Leben an einer Angststörung. Betroffene haben eine übertriebene unspezifische Angst oder eine konkrete Phobie vor einem bestimmten Objekt bzw. einer bestimmten Situation. Die soziale Phobie gehört zu den am häufigsten auftretenden Angststörungen.

Hier finden Sie weiterführende Informationen sowie ausgewählte Therapeuten für Angststörungen.

ICD-Codes für diese Krankheit: F40, F40.0, F40.1, F40.2, F41, F41.0

Empfohlene Therapeuten für Angststörungen

Artikelübersicht

Was sind Angststörungen und welche Angststörungen gibt es?

Angst ist eine Störung, wenn

Betroffene neigen dazu, Situationen zu vermeiden, die ihnen Angst bereiten. Daher führen viele Angststörungen zu einer enormen Einschränkung von Lebensqualität und Leistungsfähigkeit. So gehen z.B. Menschen mit sozialer Phobie kaum unter Leute und können wenig Neues ausprobieren.

Die Angststörungen gliedern sich nach ICD-10 in mehrere Krankheitsbilder:

  • Agoraphobie (F 40.0): Auftreten von Angstanfällen, auch Vermeidungsverhalten bei Entfernung von sicheren Orten (meist von zu Hause). Die Angst ist situationsspezifisch und tritt z.B. in Kaufhäusern, Kinos, Restaurants, Autofahren, Höhen usw. auf.
  • Soziale Phobien (F 40.1.): Starke unangemessene Angst in Situationen, die mit anderen Menschen zu tun haben, bzw. das angstbedingte Vermeiden solcher Situationen. Im Vordergrund steht die Angst, sich zu blamieren, zu versagen oder unangenehm aufzufallen. Vegetative Reaktionen begleiten diese Ängste wie Schwitzen, Tremor, Erröten.
  • Spezifische Phobien (F 40.2): Angstauslösende Objekte sind z.B. Hunde, Katzen, Spinnen, Mäuse oder spezifische Situationen wie Höhe, geschlossene Räume, Fliegen oder auch der Anblick von Blut, Blutabnahme oder Spritzen.
  • Panikstörungen (F 41.0): Akute Angstanfälle in zeitlich begrenzten Episoden, häufig mit körperlichen Symptomen wie Herzklopfen, Herzrasen, Atemnot, Schwindel, Benommenheit, Schwitzen sowie Druck oder Engegefühl in der Brust
  • Generalisierte Angststörung (F 41.1): Ein längeres Anhalten von Ängsten über 6 Monate. Sie beziehen sich auf verschiedene Lebensbereiche und Betroffene können sie nur schwer kontrollieren. Die Sorgen nehmen deshalb häufig den großen Teil des Tages ein und führen zur Anspannung, Schlafstörungen, Konzentrationsstörung und anderen Symptomen.

Ausführliche Informationen erhalten Sie weiter unten.

Wie verlaufen Angststörungen?

Wenn sie nicht behandelt werden, verlaufen Angststörungen oft chronisch. Häufig gesellen sich Depressionen dazu. Aufgrund der häufigen Behandlung mit suchterzeugenden Beruhigungsmitteln können auch Suchtstörungen auftreten.

Krankhafte Ängste zeigen sich oft in Stresssituationen aller Art. Häufig haben Betroffene ein ängstliches Eltern als „Lernmodell“. Die Ängste verfestigen sich zur Störung, wenn die Betroffenen beginnen, angstauslösende Situationen zu vermeiden.

Wie sieht die Behandlung von Angststörungen aus?

Die meisten Angststörungen lassen sich gut mit ambulanter Verhaltenstherapie behandeln. Zu Beginn der Behandlung steht die Suche nach einem Erklärungsmodell für die Angst.

Bestandteil der Behandlung ist, die Betroffenen kontrolliert mit angstauslösenden Situationen zu konfrontieren. Mit ihrem Therapeuten suchen sie genau die Situationen auf, die sie normalerweise aufgrund der Ängste vermeiden. Dazu könnten etwa

  • Menschenmassen,
  • hohe Türme und
  • soziale Situationen

gehören. Erfahrungsgemäß lässt sich die Angst auf diese Weise gut abbauen.

Daneben müssen die Betroffenen häufig lernen, Belastungen besser zu erkennen und ihren Stress zu reduzieren.

Panikstörung und Agoraphobie

Einzelne Panikattacken gelten noch nicht als Panikstörung. Eine Panikstörung liegt vor, wenn die Panik zu Leid bei den Betroffenen führt und sie in ihrer Lebensführung beeinträchtigt.

Symptome einer Panikstörung

Für den Betroffenen kommen die Panikattacken zumindest am Anfang wie aus heiterem Himmel.

Sie äußern sich in teilweise dramatischen Symptomen wie

Hinzu kommen massive Ängste, z.B.

Diese Symptome werden häufig durch Hyperventilieren verstärkt. Dabei atmen Betroffene sehr schnell und nehmen dadurch zu viel Sauerstoff zu sich. Meistens verlassene Betroffene die Situationen, in denen Panikattacken auftreten, fluchtartig.

Bei Klaustrophobie haben Menschen Angst vor geschlossenen, engen Räumen
Bei Klaustrophobie haben Betroffene Angst vor geschlossenen, engen Räumen wie etwa Aufzügen © Ilja | AdobeStock

Panikattacken dauern unterschiedlich lange, meist jedoch nicht länger als 30 Minuten.

Von einer Agoraphobie spricht man, wenn die Betroffenen aufgrund der Angst vor Panikattacken bestimmte Orte meiden, etwa

  • Kaufhäuser,
  • Kinos,
  • öffentliche Verkehrsmittel,
  • belebte Plätze u.ä.

Die Betroffenen haben nahezu ständige Angst vor neuen Panikattacken (Erwartungsangst). Durch diese Problematik sind sie in ihrer Leistungsfähigkeit und Bewegungsfreiheit extrem eingeschränkt. Die Irrationalität ihrer Angst ist ihnen dabei völlig klar.

Häufigkeit von Panikstörungen

Ca. 15 bis 30 Prozent aller Menschen erleiden mindestens einmal im Leben eine Panikattacke. Nur ca. 3 Prozent entwickeln jedoch auch eine Panikstörung, wobei etwa doppelt so viele Frauen wie Männer betroffen sind.

Sie beginnt meist im jungen Erwachsenenalter.

Behandlung von Panikstörungen

Panikstörungen werden am erfolgreichsten mit verhaltenstherapeutischer Psychotherapie behandelt. Wie oben erwähnt ist der wichtigste Bestandteil der Therapie die Konfrontation mit den angstauslösenden Situationen.

Viele Betroffene erfahren durch die Panikattacken auch Unterstützung und Entlastung. So gehen etwa Angehörige für sie einkaufen, sie werden häufiger von ihrem Partner begleitet, etc.

Häufig fällt es Betroffenen extrem schwer, Unterstützung und Entlastung direkt einzufordern. In Beziehungen kommen die Panikpatienten in irgendeiner Form „nicht zu ihrem Recht“. Solche Probleme müssen in der Therapie mitbearbeitet werden.

Auch Medikamente, v.a. die serotonerg wirkenden Antidepressiva, können zur Behandlung von Panikstörungen eingesetzt werden. Wegen ihres hohen Abhängigkeitsrisikos sollten Beruhigungsmittel wie Benzodiazepine (z.B. Tavor®) nur vorübergehend für einen kurzen Zeitraum gegeben werden.

Fallbeispiel: Panikstörung

Eine 35-jährige Frau, berufstätig, verheiratet, Mutter eines Sohnes, wird von ihrem Hausarzt in eine verhaltenstherapeutische Ambulanz geschickt, nachdem gründliche und wiederholte organische Abklärungen keinerlei Hinweis auf eine körperliche Erkrankung ergeben haben.

Sie leidet seit zwei Jahren an wiederkehrenden überwältigenden Gefühlen von Todesangst und Panik. Das erste Mal sei dies aufgetreten, als sie ihren Onkel, der völlig überraschend einen Herzinfarkt erlitten hatte, auf der Intensivstation besucht habe. Sie sei sehr nervös gewesen, habe länger vor der Station warten müssen, in dieser Zeit zwei Tassen Kaffee getrunken. Als sie endlich vor ihrem Onkel gestanden habe, der völlig leblos dagelegen habe, habe sie schreckliche Angst bekommen. Zudem hat sie das Gefühl gehabt, gleich ohnmächtig zu werden, so dass sie die Station rasch wieder verlassen musste.

Seitdem trete die Angst immer im Zusammenhang mit Kontakt mit der Familie des Onkels auf. Sie zeigt sich auch in Arztpraxen und Krankenhäusern, seit ein paar Monaten auch in der Stadt, in Kaufhäusern und an Plätzen mit vielen Menschen. Mittlerweile könne sie nicht mehr mit ihrem Sohn alleine zum Arzt und kaum noch alleine einkaufen gehen.

Mit der Patientin wird erarbeitet, dass Panikattacken zwar äußert unangenehm, aber nicht gefährlich sind. Sie beginnt, anfangs mit therapeutischer Begleitung, gezielt Situationen aufzusuchen, in denen sie Panik erlebt. Sie stellt fest, dass die eingangs massiven Panikattacken mit jeder Übung geringer werden. Nach 9 Monaten ist die Patientin in ihrer Lebensführung wieder völlig unbeeinträchtigt und erlebt nur noch leichte Anflüge von Panik.

Soziale Phobie

Bei der sozialen Phobie ist das Hauptproblem Angst vor und Vermeidung von „öffentlichen“ Situationen, z.B.

  • Essen mit anderen,
  • Referate halten,
  • Teilnahmen an privaten oder beruflichen Veranstaltungen oder Festen.

Betroffenen haben v.a. davor Angst, sich zu blamieren oder von anderen negativ bewertet zu werden. Neben typischen Angstsymptomen wie bei der Panikattacke treten in den gefürchteten Situationen häufig Erröten oder Zittern auf.

Viele Menschen sind schüchtern. Eine soziale Phobie besteht dagegen, wenn

  • die Betroffenen sich solchen Situationen gar nicht mehr aussetzen oder
  • diese Situationen nur unter massiver Angst überstehen.

Soziale Phobien sind sehr häufig. Rund 13 Prozent aller Menschen sind davon betroffen, Frauen etwas häufiger als Männer. Sie beginnt meist schon in der Schulzeit.

Betroffen sind besonders Personen, die schon immer zu starken Selbstzweifeln neigten und gleichzeitig hohe Ansprüche an sich stellen. Sie achten stark darauf, was in ihrem Inneren vorgeht („erhöhte Selbstaufmerksamkeit“).

In der verhaltenstherapeutischen Behandlung kommt auch die Konfrontation mit der angstauslösenden Situation zum Einsatz. Daneben steht auch das Training sozialer Kompetenzen im Vordergrund, z.B.

  • sich durchsetzen lernen,
  • Nein sagen lernen,
  • eigene Fehler akzeptieren lernen.

Optimal ist die Therapie in einer Gruppe, da sich die Patienten hier einerseits gegenseitig unterstützen können. Andererseits sind sie in der Gruppe automatisch mit einer ihrer gefürchteten Situationen konfrontiert.

Spezifische Phobien

Eine spezifische Phobie liegt vor, wenn der Betroffene Angst vor einem bestimmten

  • Objekt (z.B. Spinne, Insekten, Hunde) oder
  • Situation (z.B. enger Aufzug, Gewitter, Fliegen, Zahnarztbesuch)

hat. Als Störung wird eine solche Angst nur definiert, wenn sie den Betroffenen in seiner Alltagsbewältigung einschränkt. Das wäre z.B. bei einer Geschäftsreisenden mit Flugangst der Fall.

Solche einschränkenden Phobien können sehr gut durch Konfrontation mit der gefürchteten Situation behandelt werden.

Generalisierte Angststörung

Menschen mit generalisierter Angststörung grübeln sehr viel sorgenvoll und ängstlich über alltägliche Angelegenheiten. Sie machen sich Sorgen über ihr Wohlergehen und das ihrer Familie, ohne dass tatsächlich Anlass zur Sorge besteht.

Dadurch sind sie dauernd ängstlich angespannt und können diesen Zustand kaum von sich aus beenden. Von einer Störung spricht man erst dann, wenn die Symptomatik seit mehr als einem halben Jahr besteht.

Betroffen sind ca. 5 Prozent aller Menschen, Frauen häufiger als Männer. Die generalisierte Angststörung beginnt meist in Jugend oder frühem Erwachsenenalter.

Betroffene begeben sich meist nicht direkt in psychotherapeutische Behandlung. Sie vermuten körperliche Erkrankungen und konsultieren daher immer wieder Haus- u.a. Körperärzte.

Psychotherapeutisch ist bei einer generalisierten Angststörung v.a. eine kognitive Therapie angezeigt. Darin

  • lernen die Betroffenen, dass ihre Grübeleien und Sorgen einseitig schwarzmalerisch sind,
  • üben gezielt den Einsatz anderer Gedanken und
  • erwerben bessere Problemlösestrategien sowie Angstbewältigungsstrategien wie Ablenkung oder regelmäßiges Entspannungstraining.

Diese Therapie ist allerdings weniger erfolgreich als die Konfrontationstherapie bei spezifischeren Ängsten.

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