Adipositas - Spezialisten und Informationen zur Bariatrie

15.07.2020
Dr. med. Gerfried Teufelberger
Medizinischer Fachautor
Dr. med. Markus von der Groeben
Medizinischer Fachautor
Adipositas ist eine chronische Erkrankung, die mit starkem Übergewicht einhergeht. Derzeit sind 18 % der Männer und 20 % der Frauen in Deutschland adipös. Mit der Ausprägung der Fettleibigkeit steigt auch das Risiko für zahlreiche Folgeerkrankungen. Adipositas sollte interdisziplinär behandelt werden. Hier finden Sie weiterführende Informationen sowie ausgewählte Adipositas-Spezialisten und Zentren.
ICD-Codes für diese Krankheit: E66

Empfohlene Adipositas-Spezialisten

Kurzübersicht:

  • Was ist Adipositas? Es handelt sich um krankhafte Fettleibigkeit. Von Adipositas spricht man von einem BMI ab 30.
  • Ursachen und Risikofaktoren: Verschiedene Faktoren führen dazu, dass Betroffene weniger Energie verbrauchen als sie zu sich nehmen. Dazu zählt primär ein ungesunder Lebensstil mit fettreicher, süßer Ernährung und wenig Bewegung. Auch eine familiäre Veranlagung, psychische Probleme, Essstörungen, Erkrankungen und Medikamente können Adipositas begünstigen.
  • Behandlung: Leichtere Formen können konservativ durch die Beseitigung von Risikofaktoren behandelt werden, dabei helfen Ernährungs-, Bewegungs- und Verhaltenstherapien. Medikamente können unterstützen. Schwere Formen ab einem BMI von 35 bzw. 40 bedürfen einer OP.

Artikelübersicht

Was ist Adipositas?

Unter Adipositas versteht man eine über das Normalmaß hinausgehende Vermehrung des Körperfetts. Man spricht dabei auch von Fettsucht.

Zur medizinischen Beurteilung des Gewichts wird der Body-Mass-Index (BMI) herangezogen. Der BMI wird berechnet als Quotient des Körpergewichts [kg] und der Körpergröße zum Quadrat [m²].

Ein Beispiel:

Gewicht = 87 kg, Größe = 1,69 m

BMI = 87 kg / (1,69m x 1,69m) = 87 / 2,86 m² = 30,4 kg/m²

Auf Grundlage des BMIs klassifiziert die WHO (Weltgesundheitsorganisation) Übergewicht folgendermaßen:

  • Normalgewicht: BMI 18,5 – 24,9
  • Übergewicht: BMI ≥ 25,0 und Präadipositas: BMI 25 - 29,9 kg/m²
  • Adipositas Grad 1: BMI 30 - 34,9 kg/m²
  • Adipositas Grad 2: BMI 35 - 39,9 kg/m²
  • Adipositas Grad 3: BMI ≥ 40 kg/m²

Studien belegen, dass ein steigender BMI mit einer zunehmenden Verkürzung der Lebenserwartung verbunden ist.

Übergewichtige Frau beim Arzt
Unter Adipositas versteht man krankhaftes Übergewicht © New Africa | AdobeStock

Das jeweilige Gesundheitsrisiko wird allerdings nicht nur vom Ausmaß der Adipositas, sondern auch der Verteilung des Körperfetts bestimmt. Ein Taillenumfang von ≥ 88 cm bei Frauen und ≥ 102 cm bei Männern erhöht das Risiko für metabolische und kardiovaskuläre Komplikationen deutlich.

Weniger problematisch ist der eher weibliche Fettverteilungstyp mit Fettdepots hauptsächlich an Hüften und Oberschenkeln (sog. Birnenform).

Zu beachten ist auch die prozentuale Verteilung von Fett und Muskeln. So kann hinter einem hohen BMI auch ein sehr muskulöser Mensch mit nur geringem Körperfettanteil versteckt sein.

Welche Ursachen liegen Übergewicht und Adipositas zugrunde?

Die Grundregel ist: Übergewicht entsteht, wenn die Energiezufuhr dauerhaft höher als der Energiebedarf des Körpers ist (positive Energiebilanz).

Auf die Energiebilanz wirken verschiedene Faktoren ein:

Ein wesentlicher Faktor für die Entstehung von Adipositas ist der moderne Lebensstil mit wenig Bewegung und Fehlernährung. Bei wenig körperlicher Aktivität liegt ein geringer Energieverbrauch vor. Und wenn dann noch viele fett- und zuckerreiche Lebensmittel (auch Getränke) konsumiert werden, besteht eine große Gefahr für Übergewicht.

Aber auch die familiäre Veranlagung spielt bei der Entwicklung einer Adipositas eine Rolle. Der sog. Grundumsatz, also die Kalorienanzahl, die in völliger Ruhe verbrannt wird, scheint genetisch festgelegt zu sein. Das bedeutet, dass Menschen unterschiedlich viel essen können, ohne adipös zu werden.

Daneben kann die Psyche Bedeutung haben.

  • Stress,
  • Frustration,
  • Angst,
  • Langeweile

usw. können Heißhungerattacken auslösen und damit zu Adipositas führen. Außerdem steigt bei Stress der Cortisolspiegel im Blut. Das begünstigt ebenfalls eine Gewichtszunahme bis hin zur Adipositas.

Auch Essstörungen wie

  • Bulimie,
  • Binge-Eating-Disorder oder
  • Night-Eating-Disorder

können Auslöser von Übergewicht und Adipositas sein.

Frau isst Hamburger
Ess-Attacken können Ursache für einen sich entwickelnde Adipositas sein © Prot | AdobeStock

Sehr selten (in ca. 3-5 %) liegen Adipositas organische Ursachen, also endokrine (hormonelle) Erkrankungen zugrunde. Dazu gehören zum Beispiel

Adipositas kann auch durch Medikamente wie manche

  • Antidepressiva,
  • Neuroleptika,
  • Antidiabetika,
  • Glukokortikoide und
  • Betablocker

begünstigt werden.

Daneben gibt es noch eine Reihe anderer Ursachen für Adipositas, zum Beispiel

  • Immobilisierung (keine Möglichkeit zur Bewegung, etwa Bettlägerigkeit),
  • Schwangerschaft,
  • Operationen in der Hypothalamusregion,
  • Nikotinverzicht.

Die konservative Behandlung von Adipositas

Übergewicht sollte behandelt werden, wenn der Patient

  • einen BMI von 30 oder höher aufweist, oder
  • einen BMI zwischen 25 und 29,9 hat und gleichzeitig an Begleiterkrankungen leidet, darunter
    • übergewichtsbedingte Begleiterkrankungen (zum Beispiel Bluthochdruck, Typ-2-Diabetes) ODER
    • ein abdominales Fettverteilungsmuster aufweist oder
    • Erkrankungen, die durch Übergewicht verschlimmert werden, oder
    • einen hohen Leidensdruck.

Bereits eine moderate Gewichtsabnahme von unter 10 % bedeutet eine Verbesserung vieler Adipositas-Begleiterkrankungen und -Komplikationen.

Die Behandlung von Adipositas sollte auf den drei Säulen

  • Ernährungstherapie,
  • Bewegungstherapie und
  • Verhaltenstherapie

basieren.

Ernährungstherapie bei Adipositas

Im Vergleich zur bisherigen Ernährung sollten Adipositas-Patienten 500 bis 1000 kcal weniger pro Tag konsumieren.

Sinnvoll ist eine Bevorzugung von Lebensmitteln mit geringer Energiedichte. Sie sollten einen niedrigen Fett- und Zuckergehalt, aber hohen Wasser- und Ballaststoffgehalt aufweisen. Viel Gemüse und Obst bereichern den Speiseplan, sorgen für eine gleichmäßige Sättigung und liefern Vitamine sowie gesunde sekundäre Pflanzenstoffe.

Langfristig empfiehlt sich eine ausgewogene Mischkost gemäß den Richtlinien der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE).

Extrem einseitige Diäten (zum Beispiel totales Fasten) bergen ein hohes medizinisches Risiko und bringen keinen Langzeiterfolg.

Bei Personen mit Adipositas kann zur initialen (also zeitlich begrenzten) Gewichtsreduktion eine Formula-Diät (unter ärztlicher Aufsicht) angebracht sein. Die Gewichtsabnahme ist allerdings nur von Dauer, wenn gleichzeitig und langfristig danach eine Verhaltens- und Bewegungstherapie stattfindet.

Gesundes Abnehmen
Eine Ernährungsumstellung und Bewegung helfen dabei, abzunehmen und das Gewicht zu halten © M.studio | AdobeStock

Bewegungstherapie bei Adipositas

Die durch körperliche Aktivität erzielte Erhöhung des Energieverbrauchs trägt zur Gewichtsreduktion und – noch stärker – Gewichtserhaltung bei. Ein guter Beginn ist eine sportliche Aktivität von 30 bis 50 Minuten an drei bis fünf Tagen in der Woche.

Neben strukturierten Bewegungsprogrammen begünstigt auch eine vermehrte Bewegung im Alltag die Gewichtsstabilisierung. Einfaches, aber regelmäßiges Spazierengehen kann schon einen positiven Effekt haben.

Verhaltenstherapie bei Adipositas

Eine Verhaltenstherapie macht vor allem im Hinblick auf die langfristige Gewichtsreduzierung und -stabilisierung Sinn.

Im Rahmen wöchentlicher Sitzungen über mehrere Monate hinweg werden folgende Maßnahmen erarbeitet:

  • Methoden der Selbstbeobachtung des Ernährungs- und Bewegungsverhaltens (zum Beispiel mittels Tagebuch).
  • Flexible (statt rigide) Verhaltenskontrolle.
  • Veränderter Umgang mit Stress, Druck und Frustrationen.
  • Rückfallmanagement.

Medikamentöse Adipositas-Therapie

Das Basisprogramm sollte nach drei bis sechs Monaten zu einer Gewichtsreduzierung von mindestens 5 % führen. Ist das nicht der Fall, können die weiteren Bemühungen im Bereich Ernährung und Bewegung durch bestimmte Medikamente unterstützt werden.

Laut den Empfehlungen der interdisziplinären Leitlinie zur „Prävention und Therapie der Adipositas“ kommt dafür das Medikament Orlistat in Frage. Der Wirkstoff hemmt die Fettverdauung, indem Verdauungsenzyme, die sogenannten Lipasen, blockiert werden.

Orlistat darf ab einem BMI von 28 ärztlich verordnet werden und nur mit dem beschriebenen Basisprogramm die Adipositastherapie ergänzen.

Ziel der Therapie ist eine Lebensstilveränderung. Deshalb kann eine jahre- oder lebenslange Betreuung der Adipositas-Patienten durch Ärzte, Ernährungsberater, Physio- und Verhaltenstherapeuten angebracht sein.

Die chirurgische Therapie von Adipositas

Die Voraussetzungen für eine chirurgische Adipositas-Therapie (Adipositaschirurgie oder auch bariatrische Chirurgie) werden in ärztlichen Leitlinien der zuständigen Fachgesellschaften definiert.

Haben die konventionellen Maßnahmen nach mindestens 24 Monaten nicht zum erwünschten Erfolg geführt, kann ein operativer Eingriff empfohlen werden. In Deutschland gelten folgende Indikationen für Adipositaspatienten:

  • Adipositas Grad 3 (BMI ≥ 40) oder
  • Adipositas Grad 2 (BMI ≥ 35) mit schwerwiegenden weiteren Krankheitsbildern (zum Beispiel Diabetes mellitus Typ 2)

In der Schweiz dürfen Patienten bereits mit einem BMI ab 35 bariatrisch operiert werden. Dem Eingriff sollte eine zweijährige Basistherapie vorausgegangen sein. So bestimmt es die Leitlinie der SMOB (Swiss Society for the Study of morbid Obesity and metabolic disorders). Patienten mit einem BMI ab 50 sollen eine 12 Monate andauernde nichtoperative Therapie vor einer Operation absolvieren.

Kontraindikationen für eine Operation als Adipositas-Behandlung sind:

  • Abhängigkeit von Drogen und Alkohol
  • konsumierende und immundefizitäre Erkrankungen
  • Bulimia nervosa
  • Psychosen und Persönlichkeitsstörungen
Von Übergewicht zu einem sportlichen Körper
Abnehmen ist ein weiter Weg zu einem gesünderen Leben © yodiyim | AdobeStock

Nach dem Mechanismus, wie der Gewichtsverlust erreicht wird, können zwei Gruppen von adipositaschirurgischen Verfahren unterschieden werden:

  • Adipositaschirurgische Methoden mit dem hauptsächlichen Ziel der Restriktion. Das bedeutet die quantitative Einschränkung der Aufnahme von festen Nahrungsmitteln. Dazu gehören Magenballon, Bandgastroplastik oder der Schlauchmagen. Vereinfacht gesagt wird das Magenvolumen deutlich reduziert.
  • Adipositaschirurgische Methoden mit dem Ziel der Malabsorption. Das bedeutet die verminderte Aufnahme von Nährstoffen (zum Beispiel der Magenbypass oder die biliopankreatische Diversion (BPD) nach Scopinaro).

Bei 1-2 % der Adipositas-Patienten kommt es zu Komplikationen nach der Adipositas-OP. Dazu gehören v.a.

Eine langfristige Nachbetreuung der Adipositas-Patienten ist unerlässlich, um möglichen Spätkomplikationen entgegenzuwirken. Dazu gehört eine lebenslange Betreuung durch das Adipositaszentrum bzw. das interdisziplinäre Ärzte- und Therapeutenteam der behandelnden Klinik.

Ziel ist dabei, das Wohlbefinden der Patienten und einen langfristigen Therapieerfolg zu sichern. Der Patient muss lernen, eine optimale Nährstoff- und Vitaminversorgung sicherzustellen. So schließt er Mangelerscheinungen aus.

Vor allem soll das Gewicht dauerhaft stabilisiert und Rückfälle in frühere adipositasfördernde Gewohnheiten verhindert werden. Spezialisierte Fachärzte und Adipositaspatienten arbeiten Hand in Hand zusammen.

Quellen

  • WHO. Obesity: preventing and managing the global epidemic. WHO Technical Report Series 894, Genf 2000
  • https://www.adipositas-gesellschaft.de/index.php?id=39
  • https://www.adipositas-gesellschaft.de/fileadmin/PDF/Leitlinien/S3_Adipositas_Praevention_Therapie_2014.pdf
  • https://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/088-001m_S3_Chirurgie-Adipositas-metabolische-Erkrankugen_2018-02.pdf
  • https://www.ksa.ch/sites/default/files/cms/edm/pocketguide/appendix/15_smob_richtlinien_adipositaschirurgie.pdf
  • https://easo.org/wp-content/uploads/2018/12/2015-OMTF-European-Guidelines-for-Obesity-Management.pdf
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